Saarland: Jeder vierte Erstwähler für Piraten

Saarland: Jeder vierte Erstwähler für Piraten
Die junge Partei hat bei den Wahlen im westlichsten deutschen Bundesland beachtliche 7,4 Prozent erreicht.

Den besten Moment i­hrer noch so jungen Polit-Karriere erlebte Spitzenkandidatin Jasmin Maurer nicht. Die unerwartet hohen 7,4 Prozent ihrer Piraten-Partei im westlichsten Bundesland zwangen die 22-jährige "Auszubildende" mit einem Kreislaufkollaps ins Bett statt ins TV-Studio. Am Montag war sie aber "wieder voll da".

In den Interviews sagte sie aber auch nicht mehr als ihre drei Kollegen im 51-köpfigen Saarbrückener Landtag: Ja, man sei stolz, nun auch im ersten Flächenland der Republik vertreten zu sein. Nein, Koalitionsabsprachen lehne man ab, weil "wir inhaltlich arbeiten wollen." Ja, man wolle "mehr die Bürger in die Politik einbringen", so die Spitzenkandidatin. Ja, man verorte sich "derzeit links von der Mitte", so ihr Stellvertreter. Dies sei "Ausdruck des Wunsches vieler Menschen nach einer anderen Politik", so der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz in Berlin. Konkrete Antworten auf konkrete Fragen gab es aber kaum. Nur die Wahlforscher meldeten ein Faktum: Jeder vierte Erstwähler im Saarland wollte zu den Piraten gehören.

Damit bleibt die Frage weiter offen, ob die nur andere Phrasen als die etablierten Parteien gebrauchen oder auch andere Inhalte anbieten. Auch ihr Anfang Dezember verabschiedetes Programm beantwortet dies nicht: Da wird "ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle" gefordert und zugleich die Anwendung der "Schuldenbremse schon 2013". Dieser Spagat verhöhnt offenbar aber nur die Intelligenz der Piraten-Wähler nicht. Das Programm ist denn auch ein Konvolut gut klingender Einzel-Parolen und so vieler Widersprüche, dass eine Aufzählung mehr verwirrt als Klarheit schafft.

"Basisdemokraten"

Es soll auch keine Parteitagsdelegierten geben und jedes Mitglied gleichviel zählen, 5000 Unterschriften sollen für einen Antrag in den Parlamenten reichen. Das wäre echte Basisdemokratie. Der Bundesparteitag in Berlin war entsprechend: Ziemlich chaotisch, aber für die Mitglieder mit ihren Laptops ein sichtliches Vergnügen.

Die Hauptstadt, wo die Piraten im vergangenen Herbst erstmals in einen Landtag einzogen, war mit dem jetzigen Erfolg im Saarland also kein Sonderfall, der sich mit Berlins Internet-a­ffinem Milieu erklären ließe. Allerdings auch nicht mit ihrer Präsenz im Berliner Landtag seither. Da kam noch nichts Konstruktives.

Der Erfolg im Saarland ist umso bemerkenswerter, als die Piraten da noch weniger über Strukturen verfügten als im Berliner Wahlkampf. Die Mobilisierung der nicht nur jungen Wähler erfolgte über das Internet, organisierte Stammtische und klassische Wahlwerbung mit Ständen in Fußgängerzonen. Das läuft laut Umfragen auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen so gut, dass die Piraten im Mai dort die Landtage entern dürften. Sehr zum Leidwesen der Grünen, die sich trotz ihres ältesten Spitzenpersonals bisher als Inkarnation kritischer Jugend verkauften. Heute seien die Piraten die Grünen, meinen nun die meisten Politikwissenschaftler.

"Die ganze Verlogenheit" der Piraten sei "höchst unangenehm", schimpft hingegen der bekannte Schriftsteller und Pop-Musiker Sven Regener mit ziemlich origineller Begründung – natürlich im Internet.

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