Rebellion der stolzen Tuareg

Rebellion der stolzen Tuareg
Tuareg in Mali: Die Rebellen haben den gesamten Norden des Landes erobert – in einem Zweckbündnis mit Radikal-Islamisten.

Vier Tage, drei Regionen: Tuareg-Rebellen haben in Mali ein Gebiet so groß wie Frankreich überrannt, zuletzt fiel am Sonntag die sagenumwobene Stadt Timbuktu, ein UNESCO-Weltkulturerbe. In den befreiten Gebieten will das stolze Wüstenvolk seinen a­lten Traum eines eigenen Staates verwirklichen: Azawad. Wobei nicht klar ist, ob das angestrebte Gebilde innerhalb der Grenzen Malis angedacht ist, oder alle Tuareg-Stämme – etwa auch im benachbarten Niger, in Libyen und Algerien – umfassen soll. Die Weltgemeinschaft ist alarmiert, gestern wurde sogar der UN-S­icherheitsrat zusammengetrommelt.

Mehrmals schon probte das Nomadenvolk den Aufstand, in Mali wie in Niger. Der Grund: Sowohl die früheren französischen Kolonialherren als auch die späteren nationalen Regierungen kümmerten sich nicht um die Belange der Berber-Ethnie. Es gibt kaum Straßen, Spitäler, Schulen – jeder zweite Tuareg in den zwei genannten Staaten ist Analphabet.

Ex-Gaddafi-Kämpfer

Doch so erfolgreich war die Rebellion noch nie. Der jetzige Siegeszug hat zwei Antriebsmotoren: Einerseits das Machtvakuum nach dem Militärputsch in Bamako am 22. März – paradoxerweise erfolgte der Umsturz, weil sich die Armee im Kampf gegen die Tuareg zu schlecht ausgerüstet sah. Andererseits die vielen aus Libyen zurückgekehrten Kämpfer, die einst im Sold des gestürzten Diktators Gaddafi standen.

Allen voran Mohammed Ag Najem. Schon sein Vater war bei der ersten Erhebung von den malischen Streitkräften getötet worden. Mit 20 Jahren heuerte Najem bei Gaddafi an, wurde Teil einer Söldnertruppe, die unter anderem im Libanon und im Tschad mitmischte. Zuletzt war er Oberst einer Elite-Einheit, unter seinem Kommando standen fast nur Tuareg aus Mali. Außerdem schaffte Najem noch während der libyschen Kriegswirren Unmengen an Waffen und Munition beiseite. Seine 2000 bis 4000 kampferprobten Männer sind also bestens ausgerüstet, die malische A­rmee hatte ihnen wenig entgegenzusetzen. Zumal aus deren Reihen Tuareg-Offiziere mitsamt ihren Einheiten übergelaufen sind.

Wobei in der Region nicht nur die "Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad" (MNLA) tätig ist, sondern auch eine kleine muslimische Extremistengruppe, die ebenfalls aus Tuareg besteht. Ansar Dine (Partisanen des Glaubens) nennt sich die Truppe, die mehrere Hundert Mann unter Waffen und engste Verbindungen zur "Al Kaida im Islamischen Maghreb" (AKIM) haben soll.

Ihr Anführer, Iyad ag Ghali, besuchte als ehemaliger malischer Botschafter in Saudi-Arabien eifrig Religionsschulen der Wahhabiten. Ihm geht es nicht um Separation, vielmehr will er das islamische Recht, die Scharia, in ganz Mali einführen. Dort, wo die Extremisten den Ton angeben, wurden Bilder unverschleierter Frauen abgenommen und internationale Musik im Radio verboten. Als die Aufständischen etwa nach Gao kamen, wurde das örtliche Büro der Caritas zerstört, die Mitarbeiter seien geflohen, berichtet die Kathpress.

"Taktisches Bündnis"

Obwohl die Tuareg früher als Bollwerk gegen religiösen Fundamentalismus galten, machte die MNLA bei ihrer Offensive gemeinsame Sache mit den Islamisten. Doch, so Experten, sei diese Allianz aus militärischer Sicht gar nicht notwendig. Sie sei vielmehr der Tatsache geschuldet, dass die AKIM zuletzt massiv unter den jungen und chancenlosen Tuareg mobilisiert habe. Der malische Regional-Abgeordnete Assale spricht von einem "taktischen Bündnis". Wie brüchig dieses ist, zeigt sich an folgender Episode: Kaum hatte die MNLA nach der Eroberung Timbuktus ihre Fahne gehisst, wurde sie von Islamisten auch schon wieder entfernt. Jetzt weht in der Stadt die Ansar-Dine-Flagge, es gilt die Scharia.

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