Razzia verstärkt Druck auf Wulff
Das gab es noch nie: Am Donnerstag ließ die Staatsanwaltschaft Hannover die Diensträume von Christian Wulffs engstem Vertrauten durchsuchen, und zwar am Amtssitz des Bundespräsidenten, dem Schloss Bellevue im Herzen Berlins. Olaf Glaeseker war zehn Jahre Wulffs engster Vertrauter („mein Siamesischer Zwilling“) gewesen. Am 22. Dezember, dem ersten Höhepunkt der Vertrauenskrise, hatte Wulff ihn ohne Angabe von Gründen entlassen. Glaeseker bekam im Bellevue Hausverbot und konnte daher sein Zimmer nicht mehr ausräumen.
Genau dort erhoffte sich die Staatsanwaltschaft Belastungsmaterial wegen ihres Anfangsverdachts der Bestechlichkeit zu finden: Glaesecker soll dem umtriebigen Eventmanager Manfred Schmidt mit Amtshilfe gefällig gewesen sein, als er in Niedersachsen Regierungssprecher des damaligen Ministerpräsidenten Wulff (CDU) war.
Glaeseker hat dazu nicht öffentlich Stellung genommen. Schmidt, gegen den auch ermittelt wird, dementierte, ihn mit Gratisurlauben und -flügen für dessen „Sponsorenwerbung“ bestochen zu haben: Beide seien seit langem befreundet und Einladungen gegenseitig.
Zukunft
Die Hausdurchsuchung in Bellevue wurde kurz nach Bundeskanzlerin Merkels neuestem Eintreten für Wulff bekannt. In Bild am Sonntag hatte sie ihn vorsichtig verteidigt: Auf die Frage, wie viel Zukunft Wulff habe, sagte sie: „Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen“. Einer Direktwahl des Staatsoberhaupts wie in Österreich erteilte sie eine klare Absage, weil das Amt mit zu wenig Macht dafür ausgestattet sei.
Überraschend eindeutig fiel die Aussage des hochgeachteten Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki aus: Der fast 92-Jährige hatte am Freitag die bewegende und viel beachtete Festrede zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag gehalten und war dabei von Wulff persönlich zum Rednerpult geleitet worden. Dem Focus sagte Reich-Ranicki nun in Bezug auf Wulffs viel kritisierte Nähe zu reichen Freunden und deren Vergünstigungen für ihn: „Er muss unbedingt zurücktreten. Wulff hat offenbar zu hohe finanzielle Ansprüche.“ Dadurch könne er als Politiker nicht unabhängig sein, so Reich-Ranicki.
Überraschend fiel auch eine Umfrage des „Emnid“-Instituts aus: 51 Prozent fanden darin, „die Medien sollten aufhören, negativ über Wulff zu berichten“. Nur 36 Prozent wollten seinen Rücktritt, knapp die Hälfte dessen, was kurz zuvor eine ZDF- Umfrage ermittelt hatte. Die SPD hatte das als Beweis für ihre indirekte Rücktrittsforderung genommen.
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