Putins Lack ist ab

Putins Lack ist ab
Russland: Bei der Parlamentswahl am Sonntag steht der Sieger längst fest, trotzdem droht der Kreml-Partei ein Dämpfer.

Der Endfünfziger bringt es auf ganze 1,70 m lichte Höhe, hat stark gelichtetes und - wie böse Zungen behaupten - sogar getöntes Haupthaar, einen sichtbaren Bauchansatz und Krähenfüße in den Augenwinkeln. Dennoch kreischen Teenies bei seinem Anblick wie Groupies und reißen sich die Klamotten vom Leib.

Macht ist sexy und Wladimir Putin hat sie in den vier Jahren, in denen Dmitri Medwedew ihm den Chefsessel im Kreml warmhielt, nicht einen Augenblick aus der Hand gegeben. Doch jetzt drängt es den Mächtigen mit Macht auch de jure zum höchsten Staatsamt zurück. Erster Schritt dazu sind die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag.

Andere Parlamente würden eine Regierung wählen, erklärte ein TV-Programmchef schon 2003 bei den ersten Duma-Wahlen der Ära Putin seinen Redakteuren die Gemengelage. In Russland dagegen müsse dafür gesorgt werden, dass die Regierung endlich das Parlament bekommt, das sie verdient. Der Auftrag kann als in Ehren erfüllt abgehakt werden.

"Einiges Russland" - die "Partei der Macht", wie die Regierungspartei inzwischen selbst bei kritischen Medien firmiert - hat im postkommunistischen Russland in etwa das Machtmonopol, das die sowjetischen Kommunisten vor der Perestroika besaßen. Die KPdSU hatte sich ihre führende Rolle in der Verfassung festschreiben lassen und bestückte das Scheinparlament - den Obersten Sowjet - mit alternativlosen Einheitslisten aus Kommunisten und parteilosen Mitläufern. In der russischen Staatsduma sind die Mehrheitsverhältnisse seit fast acht Jahren ähnlich erdrückend.

Putins Einheitsrussen kontrollieren derzeit 317 der insgesamt 450 Sitze und sämtliche Ausschüsse. Die derzeit aus drei Parteien bestehende Opposition hat bloße Alibi-Funktion.

Sie und ihre blassen Granden werden von den Massen kaum wahr- und schon gar nicht ernst genommen. Zumal ihre Programme den knapp 109 Millionen Stimmberechtigten keine überzeugenden Alternativen bieten und Teile ihrer Fraktionen bei wirklich wichtigen Abstimmungen das gleiche Knöpfchen drücken wie die Einheitsrussen.

Die liberale Opposition und ihre scharfzüngigen Tribune scheiterten schon 2003 an der Fünf-Prozent-Hürde und haben in überschaubaren Zeiträumen keine Chance auf ein Comeback. Denn Putin und seine Partei haben inzwischen Direktmandate abgeschafft, die Sperrklausel auf sieben Prozent angehoben, Parteien- und Wahlgesetzgebung dramatisch verschärft. Medwedew setzte nur geringfügige kosmetische Korrekturen durch.

Putins Lack ist ab
Wladimir Putin

Dazu kommen interne Rivalitäten der Liberalen, Profilierungsneurosen ihrer Führer und ein unfairer Wahlkampf. Überregionale elektronische Medien wurden schon in Putins erster Amtszeit de facto gleichgeschaltet, "Einiges Russland" dominiert die Wahlkommissionen auf allen Ebenen. Wichtig - das wussten schon die Kommunisten - ist nicht, wie gewählt, sondern wie gezählt wird.

Denn trotz Behinderung und interner Konflikte kommen die Liberalen bei Umfragen kritischer Meinungsforscher zusammen auf 15 bis 20 Prozent aller Stimmen. Und ein Drittel der Russen wünscht sich neue Gesichter auf der Kommandobrücke des Staatsschiffes. Stabilität - Markenzeichen der Ära Putin - drohe in Stagnation umzuschlagen, warnte sogar Medwedew, als er noch mit einer zweiten Amtszeit liebäugelte. Immer neue Korruptionsaffären, in die auch hohe Chargen der Regierungspartei verstrickt sein sollen, trugen Putins Hausmacht bei Bloggern zudem den Titel "Partei der Diebe und Gauner" ein.

Der Souverän, das Volk, rächte sich mit Liebesentzug, Putin versuchte, mit der "Allrussischen Volksfront" gegenzusteuern: Einer Sammelbewegung parteiloser Sympathisanten seiner Politik, an die ein Viertel aller Plätze auf den Kandidatenlisten seiner Einheitspartei ging. Vor allem an Künstler, Wissenschaftler und andere Promis.

Doch die Front konnte den Abwärtstrend so wenig stoppen wie Putins nach wie vor hohe persönliche Zustimmungsraten, dessen halb nackte Amazonen-Armee und inflationäre Versprechen sozialer Wohltaten bei "richtiger" Stimmabgabe. Gouverneure und Bürgermeister sollen für mindestens 60 Prozent sorgen. Einige zahlten an Gutwillige sogar Vorschüsse, der Rest gegen Vorlage eines in der Wahlkabine geschossenen Handy-Fotos mit "richtig" ausgefülltem Stimmzettel.

Es könnte dennoch knapp werden. Sogar bei den Umfragen des staatsnahen Allrussischen Instituts für Meinungsforschung kamen die Einheitsrussen auf nur 53 Prozent. Auch weil viele den Urnen fernbleiben wollen. Von Wahlabstinenz aber profitiert meist die Opposition. Je schlechter das Ergebnis der Einheitsrussen, desto rauer der Wind, der dem am Sonntag zum Präsidentschaftskandidaten gekürtem Putin nach seiner Rückkehr in den Kreml ins Gesicht bläst. Als die KP in den Neunzigern die Duma kontrollierte, schrammte der damalige Präsident Boris Jelzin nur knapp an einem Absetzungsverfahren vorbei.


Duma: Keine echte Opposition

Organisation
Die Duma ist die erste Parlamentskammer und hat 450 Sitze. Folgende Parteien sind vertreten:
- Einiges Russland
Die Regierungspartei unter Wladimir Putin. Sie hält 315 Sitze.
- Kommunisten
Mit 57 Sitzen die stärkste Oppositionspartei. Sie liegt aber sehr oft auf einer Linie mit dem Kreml.
- Liberaldemokraten
Die Nationalisten von Wladimir Schirinowski halten 40 Sitze.
- Gerechtes Russland
Eine Sammelpartei Kreml-treuer Kräfte. Sie hält 38 Sitze.

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