Pannen beim Polizei-Notruf

Pannen beim Polizei-Notruf
Als Sicherheitsrisiko bezeichnen Rettungsorganisationen den Polizei- und Euro-Notruf. Eine Verbesserung scheitert - trotz Rechnungshof-Kritik - am Geld.

Der Bundesrechnungshof hat vor zwei Jahren den Polizei-Notruf 133 und den gleich geschalteten Euro-Notruf 112 als "veraltet" kritisiert und dringende Strukturänderungen gefordert. Bisher ohne Reaktion: Wie der KURIER in Erfahrung bringen konnte, fehlen dem Innenministerium für die österreichweite Modernisierung des Notrufsystems zwischen sieben und acht Millionen Euro. Gespart werde dabei allerdings auf Kosten der Sicherheit, prangern die Kritiker an.

2010 hat der Rechnungshof die neun Landesleitzentralen sowie die 95 Bezirksleitstellen der Polizei unter die Lupe genommen. Mit Ausnahme der modernen Infrastruktur in Wien fiel die Beurteilung teilweise vernichtend aus. Das System bindet zu viel Personal ans Telefon und sei ineffizient, die technische Ausrüstung mangelhaft.

Dies ist mittlerweile auch in einigen Fällen dokumentiert. Bekannt geworden ist 2010 beispielsweise eine Panne im Zuge eines Mordfalls in Salzburg. Ein Kitzbüheler erhielt den verzweifelten Anruf seiner Mutter, die angab, von ihrem Mann attackiert und gleich getötet zu werden. Als der Sohn den Polizei-Notruf wählte, landete er in der falschen Leitstelle in Zell am See. Der Beamte am Hörer konnte jedoch nicht zur Polizeiinspektion nach Kitzbühel verbinden und sagte dem Anrufer stattdessen die Nummer der Dienststelle durch. Es verging wertvolle Zeit, bis der Sohn schließlich die Beamten zum Haus der Eltern schicken konnte. Die Frau war bereits tot. Laut einem medizinischen Gutachten hatte sie jedoch nach den Messerstichen noch eine Zeit lang gelebt. Ob sie ein rascherer Einsatz vor dem Tod bewahrt hätte, konnte nicht mehr geklärt werden.

112er

Pannen beim Polizei-Notruf

Zunehmende Kritik anderer Einsatzorganisationen beschert der Polizei auch der Euronotruf 112. In einer breit angelegten Werbekampagne wirbt das Innenministerium für die europaweite Notrufnummer. Da dahinter jedoch kein modernes Leitstellensystem steckt, kommt es gerade bei Rettungseinsätzen zu unnötigen Verzögerungen und einem massiven Informationsmangel, bekritteln beispielsweise die Rettungsleitstelle "144 Notruf NÖ", die ÖAMTC-Flugrettung oder auch die österreichische Bergrettung.

"Wir versuchen in wissenschaftlichen Studien herauszufinden, wie wir bei der Abwicklung der oft lebensrettenden Einsätze im Sekundenbereich Verbesserungen erzielen können. Wir haben dafür ein hoch technisiertes Einsatzleitsystem und zertifiziertes Leitstellenpersonal. Bei der Polizei notiert hingegen ein Beamter den Notruf und meldet ihn mit erheblichem Zeit- und Informationsverlust weiter", so Christof Constantin Chwojka von "144 Notruf NÖ".

Der Geschäftsführer des Christophorus Flugrettungsvereins, Reinhard Kraxner, stößt in dasselbe Horn: "Der Erstanruf gehört dorthin, wo man Sorge trägt, dass das bestmögliche Rettungsmittel losgeschickt wird. Alles andere ist eine Mehrgleisigkeit, die nicht ideal ist."

Der Präsident der österr. Bergrettung, Franz Lindenberg, hat in einem Brief an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auf die Missstände hingewiesen.
Im Innenministerium gesteht man ein, dass das System noch verbesserbar ist. "Wir haben bei der Technisierung und der lückenlosen Dokumentation noch Nachholbedarf", so Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Allerdings sei die

Polizei die einzige Blaulicht-Organisation, die auf Bundesebene angesiedelt und daher einen einheitlichen Standard für ganz Österreich anbieten kann. "Und das kostenlos. Die diversen Leitstellen werden hingegen pro Notruf vom Land bezahlt", argumentiert Grundböck.

Pannen beim Polizei-Notruf

Rechnungshof: Was wurde schon umgesetzt?

Nach dem vernichtenden Rechnungshofbericht zum Polizei-Notruf hat das Innenministerium Verbesserungen zugesagt. Empfohlen wird die Zentralisierung von modernen Landesleitstellen nach dem Muster von Wien. "Wir haben die Überprüfung solcher Einrichtungen nach dem Wiener Vorbild veranlasst", bestätigt Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Dazu bedarf es jedoch einer Reihe teurer technischer Einrichtungen. Diese wurden aufgrund der finanziellen Situation nicht angeschafft. Zu Herzen genommen hat sich das Ministerium anscheinend die Kritik, die den Personalapparat betrifft. "Mittlerweile hat es für alle Einsatz-Mitarbeiter am Notruf eine einheitliche Schulung gegeben, wie solche Gespräche abzuwickeln sind", sagt Grundböck.
Am riesigen Personalaufwand hat sich jedoch nichts geändert. Laut Rechnungshof versehen pro Jahr alleine 260 Beamte Dienst in den Landesleitzentralen. Jede weitere Bezirksleitstelle ist mit zwei Beamten besetzt. Daher fehlen pro Tag 180 Beamte im Außendienst, schreibt der Rechnungshof.

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