Palästina: Obama kämpft gegen Gesichtsverlust

Der US-Präsident will die Palästinenser im letzten Moment vom Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft abbringen, den die USA ohnehin per Veto verhindern würden.

Mehr als 9000 Kilometer lagen am Mittwoch zwischen den beiden Brennpunkten des Streits um Palästina: In Ramallah, Hebron, Nablus und anderen Städten des Westjordanlands strömten Zehntausende Palästinenser auf die Straßen, um die Anerkennung ihres Staates durch die Vereinten Nationen zu fordern. Ein riesiges Schild mit der Aufschrift "UN 194" stand für den Wunsch, als 194. Mitglied in die Weltorganisation aufgenommen zu werden.

Im fernen New York bemühte sich US-Präsident Barack Obama zur gleichen Zeit, einen diplomatischen Super-GAU abzuwenden. Bei einem Treffen mit Mahmoud Abbas will er den Palästinenser-Präsidenten im letzten Moment davon abbringen, den Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft offiziell einzubringen. Zuvor steht ein Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanyahu auf dem Programm.

Obama, der als vierter Redner an das Pult der UN-Vollversammlung tritt, will um jeden Preis vermeiden, dass die Anerkennung Palästinas nur durch ein US-Veto zu verhindern ist. Denn das würde das Ansehen Washingtons in der muslimischen Welt nachhaltig beschädigen. Deshalb wollen die Amerikaner - unterstützt von der EU - statt des palästinensischen Alleingangs wieder direkte Verhandlungen mit den Israelis in Gang bringen. Abbas wurde sogar angedroht, die dringend benötigten US-Finanzhilfen für die Palästinenser einzufrieren.

Zugleich bearbeiten US-Diplomaten die Mitglieder des Sicherheitsrats. Denn wenn weniger als neun der 15 Mitglieder zustimmen, gilt der Vorstoß von Abbas auch ohne US-Veto als abgelehnt. Entsprechend verärgert reagierten die USA auf die Ankündigung Russlands, es würde die Aufnahme Palästinas in die UNO "selbstverständlich voll unterstützen". Eine Möglichkeit wäre auch, dass sich Abbas vorerst anstelle der Vollmitgliedschaft für Palästina mit dem Status als Nichtmitgliedsstaat nach dem Vorbild des Vatikans zufrieden gibt.

"Auf Augenhöhe"

Doch die Palästinenser argumentieren, Israel ließe ihnen gar keine andere Wahl, als auf diesem Weg die staatliche Anerkennung zu suchen und damit künftig auf Augenhöhe verhandeln zu können. Ihr langjähriger Unterhändler Nabil Shaath äußerte in der Süddeutschen Zeitung Zweifel, "dass Netanyahu wirklich unser Partner für den Frieden sein möchte". Zur Einstellung der Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten sei der Premier jedenfalls nicht bereit.

Am Freitag wird Abbas im UN-Hauptquartier am East River das Wort ergreifen - nur eine Stunde später ist Netanyahu an der Reihe. Spätestens dann wird man wissen, ob eine Eskalation verhindert werden konnte.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman hörte sich am Mittwoch noch nicht nach Kompromiss an: Er drohte, es gebe "genügend Instrumente", um auf den palästinensischen Vorstoß zu reagieren. Israel könnte etwa die in den Oslo-Verträgen vereinbarte Weiterleitung von Steuern und Zöllen an die palästinensische Regierung einstellen. Liebermans Vize Danny Ayalon schlug vor, Israel sollte die größten Siedlungen im Westjordanland einfach annektieren.

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