Olivers Mutter schöpft Hoffnung

Olivers Mutter schöpft Hoffnung
Olivers Vater bietet Besuche an, die Mutter des entführten Buben klammert sich an einen juristischen Strohhalm.

Der Vater des entführten Oliver bleibt bis auf Weiteres unbehelligt und wähnt sich in Dänemark in Sicherheit. In Interviews behauptet er: „Oliver geht es super, er war froh, als wir zu Hause waren.“ Donnerstagabend schickte Thomas S. der Kindesmutter eine eMail. „Er bietet meiner Tochter jetzt sogar an, sie könne ihn bald besuchen“, ärgert sich Hanns Weilharter, der Großvater des Fünfjährigen. „Zuerst entreißt er der Mutter gewaltsam das Kind und dann spielt er den Superpapa.“

Marion Weilharter bereitete sich am Karfreitag gemeinsam mit ihrer Wiener Anwältin Britta Schönhart in Graz akribisch auf den Rückführungsantrag vor, den die dänischen Behörden nach Ostern erhalten werden.

Chancen

Der KURIER zeigte ein für die Grazer Familie wichtiges Prozedere auf: Sollte Kindesvater Thomas S. den Antrag auf alleinige Obsorge erst gestellt haben, als der Bub mit seiner Mutter schon außer Landes war, stehen die Chancen für eine Rückführung des Kindes laut einem Experten im Justizministerium besser.

Marion Weilharter schildert dem KURIER: „Ich hatte in Dänemark das alleinige Sorgerecht für Oliver, habe uns am 17. Juli 2010 abgemeldet und bin ausgereist. Oliver war seit 19. Juli in Graz gemeldet.“ Der Obsorgeantrag des Kindesvaters sei mit 22. Juli, also eventuell zu spät, datiert. Die dänischen Behörden haben dem IT-Profi Thomas S. am 22. Dezember die alleinige Obsorge zuerkannt. Wie berichtet, besitzt sie die Mutter in Österreich. „Diese zeitliche Abfolge ist unser Strohhalm, wir wissen das“, zeigt sich Olivers Opa optimistisch.

Am 19. April wird Marion Weilharter 40 Jahre alt. Zum Feiern ist ihr nicht zumute, ohne ihren Sohn. Die Modedesignerin verfolgt die dänischen Medienberichte im Internet. „Der Kindesvater gibt ein Siegerinterview nach dem anderen“, sagt sie. Darin behauptet er, er habe das Kind vom Kindergarten ganz normal abgeholt, keine Gewalt angewendet. Sie, die Kindesmutter, habe sich nur ein wenig geschreckt. „Dabei musste Oliver mit ansehen, wie mich ein fremder Mann (der Begleiter des mutmaßlichen Entführers, Anm.) festgehalten hat, ich ihn nicht beschützen konnte und laut um Hilfe geschrien habe.“ Die Mutter befürchtet, der Bub sei dadurch schwer traumatisiert.

Mittelpunkt

Berichte dänischer TV-Teams, die bei ihr in Graz waren und ihre Sicht darstellten, seien aus dem Netz schon wieder verschwunden. Marion Weilharter macht auch zornig, dass Thomas S. in Interviews betont habe: Oliver sei nun in Sicherheit, bei seiner Familie und seinen Freunden. „Wie kann das sein? Oliver war dreieinhalb, als wir umgezogen sind. Seine Familie und seine Freunde hat er längst in Graz, hier ist der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen.“

Sowohl für die dänischen als auch für die heimischen Behörden gilt derzeit „Osterfriede“. Die dänische Sozialministerin Karen Haekkerup, Sozialdemokratin, verlangt indes von der Fami­lienrechtsbehörde eine genaue Darstellung des Falles.

Nikolaus Lutterotti, Sprecher des Außenamtes in Wien, betont, man verfolge den Fall aufmerksam. „Operativ sind wir derzeit nicht tätig, werden die Mutter, falls sie nach Dänemark reist, aber jederzeit unterstützten.“ Dänemark stehe derzeit besonders unter Beobachtung. Schließlich führe das Land gerade den EU-Ratsvorsitz, habe aber in Familienrechtsangelegenheiten Verordnungen nicht umgesetzt.

Die Frage nach dem „Mittelpunkt des Lebens“

Seit 1. April 2011 gilt in Österreich und 38 anderen Staaten das neue Kinderschutzübereinkommen (KSÜ). Dazu bekennen sich unter anderem Albanien, Australien, die Ukraine, Uruguay – und Dänemark, das frühere Verordnungen nicht unterschrieben hat. Das KSÜ macht Sorgerechtsregelungen etwas einfacher und stellt erstmals das Kindeswohl in den Vordergrund.

Nach dem KSÜ nimmt das Kind von Eltern mit gemischten Nationalitäten bei einer Übersiedlung in ein anderes Land die gültige Obsorgeregelung mit. Im „Fall Oliver“ hatte die Mutter in Dänemark das Sorgerecht, es müsste also auch in Österreich gelten.

Weiters ist fixiert, dass eine Änderung dieser Obsorgeentscheidung nur die Gerichte jenes Staates vornehmen dürfen, in dem das Kind seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hat. Das kann nicht bloß jener Ort sein, an den es etwa durch eine Entführung oder während eines Besuchs gelangt. Der Oberste Gerichtshof stellt auf den „Mittelpunkt des Lebens“ sowie auf die „sozialen Beziehungen“ ab. Zeitlich geht das Höchst­gericht von einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten aus. Das alles gilt für neue Fälle, die nach dem 1. April 2011 angefallen sind. Für Oliver, der schon 2010 von Dänemark nach Österreich übersiedelt ist, kommt das KSÜ allerdings zu spät.

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