"Österreich gab Litauen keine Chance, die Anklage zu belegen"

"Österreich gab Litauen keine Chance, die Anklage zu belegen"
Litauens Generalstaatsanwalt im KURIER-Interview

Litauens Generalstaatsanwalt, Darius Valys, sagt im KURIER-Interview: Österreich hätte Litauen laut internationaler Abkommen im Fall Golowatow zwischen 18 und 40 Tage Zeit geben müssen, die Vorwürfe zu begründen. Sein Vorwurf: Österreich habe nicht einmal die - unverlangt angebotene - Übermittlung der Anklageschrift abgewartet.

KURIER: Österreich wirft Ihnen vor, Sie sind selbst schuld daran, dass Golowatow freikam, weil Sie den Tatverdacht nicht gut genug begründet haben. Zu Recht?
Darius Valys:
Die litauische Generalstaatsanwaltschaft wurde am 15. Juli darüber informiert, dass Herr Golowatow am 14. Juli am Flughafen Wien verhaftet worden war. In der kürzestmöglichen Zeit, noch am 15. Juli, stellten wir den österreichischen Behörden zusätzliche Informationen zur Verfügung: die deutsche Übersetzung des europäischen Haftbefehls; Informationen auf Englisch über die Essenz der Verbrechen; außerdem haben wir zugesagt, dass Österreich die gesamte litauische Anklageschrift in kürzestmöglicher Zeit auf Deutsch übersetzt bekommt - obwohl das von Litauen nie verlangt wurde.

Österreich sagt, Sie waren nicht schnell genug. Golowatow hätte nicht länger festgehalten werden dürfen.
Im Schengen-Informationssystem heißt es, dass ein europäischer Haftbefehl in Fällen vor dem Jahr 2002 zumindest als Ersuchen um vorübergehende Haft gesehen werden sollte. Das heißt, nachdem Österreich Herrn Golowatow verhaftet hatte, hätte es diverse internationale und EU-Vereinbarungen zu Auslieferungsfällen anwenden sollen. Die sehen vor, dass vorübergehende Haft dann aufgehoben werden kann, wenn nicht innerhalb von 18 Tagen nach der Verhaftung, aber längstens 40 Tage danach die nötigen Dokumente geliefert werden. Jetzt muss die österreichisch-litauische Arbeitsgruppe klären, wie es möglich war, dass Golowatow nach nicht einmal 24 Stunden frei kam.

Ist Golowatow der einzige Russe, gegen den wegen der "Blutnacht von Vilnius" 1991 ein litauischer Haftbefehl ausgestellt wurde?
Nein, im Jahr 2010 hat die litauische Generalstaatsanwaltschaft insgesamt 22 europäische Haftbefehle zu diesem Kriminalfall ausgestellt. Es geht um Verdächtige, die sich in Russland und Weißrussland verstecken. Einer von ihnen ist Mikhail Golowatow.

Was genau werfen Sie Golowatow und den anderen Verdächtigen vor?
Sie stehen unter Verdacht, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Vorverfahren in Litauen haben ergeben, dass die
KGB-Sondereinheit "Alpha" am 11., 12. und 13. Jänner 1991 mit Handfeuerwaffen, Sprengstoff und Panzerfahrzeugen und Soldaten der Sowjetunion das litauische Fernsehen und Radio angegriffen haben. Bei dem Angriff wurden 14 Personen ermordet und mehr als 1000 verletzt. Golowatow und andere "Alpha"-Angehörige sollen daran direkt beteiligt gewesen sein.

Kommentare