Öl-Boykott trifft auch EU-Staaten

Öl-Boykott trifft auch EU-Staaten
Iran-Atomstreit: Die EU beschließt ein hartes Ölembargo gegen Teheran. Experten aber bezweifeln dessen Wirkung.

Der Beschluss ist hart, die militärische Begleitmusik bedrohlich: Während die EU in Brüssel sich Montag frühmorgens auf ein Embargo iranischen Öls einigte, lief der US-Flugzeugträger "Abraham Lincoln" in den Persischen Golf ein, begleitet von französischen und britischen Kriegsschiffen.

Der Westen erhöht also auf allen Ebenen den politischen und wirtschaftlichen Druck auf den Iran. Man will das Land im Streit um dessen Atomprogramm zum Einlenken bringen. Teheran, so die Forderung, soll endlich alle Details dieses Programms offenlegen und außerdem umstrittene Aktivitäten wie die Anreicherung hochprozentigen Urans stoppen. "Wir können nicht akzeptieren", erklärte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, "dass Teheran nach der Atombombe greift."

Harte Linie durchgesetzt

Teheran dagegen ist in diesen Tagen plötzlich um versöhnliche Töne bemüht. Drohungen, die Straße von Hormuz durch den Persischen Golf zu sperren, wie man sie vor einigen Wochen noch geäußert hat, will man nicht so ernst gemeint haben. Beim Atomprogramm betont man, ohnehin mit der UN-Atombehörde IAEO in Wien zu kooperieren und zeigt sich außerdem an neuen Verhandlungen interessiert.

Doch der Westen setzt jetzt auf Härte. "Beispiellose Sanktionen" erwartet der britische Außenminister William Hague. Tatsächlich hat sich London gemeinsam mit anderen Verfechtern einer konsequenten Linie durchgesetzt. Ab 1. Juli soll das Ölembargo in Kraft sein – und es soll auch von jenen Staaten eingehalten werden, die es tatsächlich hart trifft.

Denn während die gesamte EU gerade einmal 5,7 Prozent ihres Ölbedarfs aus dem Iran bezieht, ist der Anteil bei einigen Staaten weit höher. Italien, Griechenland und Spanien sind die Hauptkonsumenten iranischen Öls. Und das vor allem, weil Teheran den drei derzeit besonders krisengeschüttelten Staaten mehr als günstige Lieferkonditionen einräumt. So darf Italien etwa alte Schulden des Iran mit den aktuellen Öllieferungen gegenverrechnen und muss daher gar kein Geld in die Hand nehmen.

Griechenland wiederum wird wegen akuter Bankrottgefahr von anderen Ölstaaten gar nicht mehr beliefert. Der Iran dagegen drückt ein Auge zu und lässt sich mit dem Kassieren Zeit.

"Es wird also vor allem die Ölwirtschaft in diesen finanzschwachen Staaten treffen", analysiert Leo Drollas, leitender Wissenschaftler des renommierten Londoner "Zentrums für globale Energiestudien", gegenüber dem KURIER die Folgen des Embargos: "Die Staaten werden Öl viel teurer und mit viel mehr Mühe einkaufen müssen. Den Iran zum Einlenken zwingen werden sie kaum. Es könnte also nach hinten losgehen."

China springt ein

Der Iran selbst arbeitet heftig daran, die Folgen des Embargos auf die eigene Wirtschaft einzudämmen. Traditionell ist der Ölstaat ja wegen seiner veralteten und zu kleinen Raffinerien auf Import von Benzin angewiesen. Doch die Regierung von Präsident Ahmadinejad treibt seit einigen Jahren den Ausbau der Raffinerien voran, um so unabhängiger zu werden.

Wichtigster Abnehmer für das iranische Rohöl sind ohnehin asiatische Länder, allen voran China, Indien und Japan. Vor allem der wachsende Hunger nach Rohstoffen in den beiden Schwellenländern soll, darauf setzt man in Teheran, den geringeren Absatz in Europa ausgleichen. "Der Ölabsatz dorthin übersteigt die Verluste in Europa spielend", sieht Experte Drollas die Wirkung der Öl-Sanktionen eher begrenzt. Viel härter seien für den Iran die Sanktionen gegen dessen Zentralbank, deren Konten in Europa eingefroren werden.

Importe aus Europa, durch die das Land mit lebenswichtigen Gütern versorgt wird, können so nicht mehr abgewickelt werden. Das sei, so Drollas, die wahre Gefahr für Teheran: "Damit ziehen Europa und die USA die Schlinge tatsächlich enger."

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