„Nigeria als Öllieferant von kolossaler Bedeutung“

Er ist Afrika-Experte an der deutschen „Stiftung Wissenschaft und Politik“. Der KURIER sprach mit Denis Tull über...

... einen drohenden Bürgerkrieg in Nigeria Seit eine zivile Regierung 1999 etabliert wurde, gab es im „Mittelgürtel“ immer wieder gewaltsame Konflikte zwischen Muslimen und Christen. Dennoch: Die jetzigen Anschläge der radikal-muslimischen Gruppe „Boko Haram“ stellen eine neue Qualität dar. Die Regierung steht vor großen Problemen, die unmittelbare Gefahr eines Bürgerkrieges sehe ich derzeit aber nicht.

... die Ursachen der Auseinandersetzungen Es geht nicht nur um Religion. Es geht ebenso um Landbesitz sowie Migration. Und im Norden auch um Frustration: Einerseits sind die Menschen dort statistisch ärmer als im (christlichen) Süden, wobei auch Letztere nicht wohlhabend sind. Andererseits sind derzeit weniger Muslime in Machtposition als je zuvor. Letztlich sind die meisten Gruppen unzufrieden, weil das Land wegen der Öl-Reserven ja potenziell reich ist, die Leute aber kaum etwas davon abbekommen. Letztlich wird Nigeria aber genau deswegen nicht zerfallen: Der Faktor Öl dämmt die Zentrifugalkräfte ein.

... die Proteste gegen die Benzinpreis-Erhöhung Man kann die Leute schon verstehen: Da die Öl-Erlöse nicht bei ihnen ankommen, waren die (zu Jahresbeginn gekappten) Subventionen von Sprit ihre einzige Teilhabe am Petro-Business.

... die weitere Entwicklung Im Fall von „Boko Haram“ setzen die Verantwortlichen auf Härte und haben Tausende Soldaten in den Norden geschickt. Diese können von der dortigen Bevölkerung leicht als Besatzungsmacht verstanden werden. Daher wäre auch ein politischer Dialog notwendig. Im Fall der Proteste muss die Regierung schnell für sozialen Frieden sorgen, denn Nigeria ist von kolossaler Bedeutung – als Regionalmacht für Westafrika und als Öllieferant für den ganzen Kontinent und die Welt.

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