Neue Theorie vom Jesus-Grab

Neue Theorie vom Jesus-Grab
Ferngesteuerte Videobilder aus einer Grabkammer zeigen Spuren von Judenchristen aus dem ersten Jahrhundert.

Archäologen mögen sich darüber uneinig sein, ob Simcha Jacobovici ein bunter Hund oder ein schwarzes Schaf ist. Doch der Archäologie-Reporter sorgt regelmäßig für neue Schlagzeilen.

Diesmal überrascht der Kanadier nicht nur die Archäologen, sondern auch die Theologen: Mit ferngesteuert aufgenommenen Video-Bildern aus einer Jerusalemer Grabhöhle. Sie zeigen offensichtlich urchristliche Inschriften, wie sie für das Heilige Land einmalig sind.

Alle horchen auf, auch wer deshalb nicht gleich Jacobovicis Theorie bestätigt sieht, nebenan befinde sich „das eigentliche Grab Jesus und seiner Familie“: So viele, eindeutig judenchristliche Funde an einem Ort sind in jedem Fall eine Sensation. Wieder geht es um Eingravierungen auf einem Ossuarium: Auf der Gebeinkiste ist ein großer Wal mit einem Menschen im Maul zu sehen.

Urchristliche Symbole

Jona, Prophet wider Willen und vom Wal verschluckt, dann ausgespuckt, ist in den römischen Katakomben eines der meistverwendeten urchristlichen Symbole. Das Bild symbolisiert bereits in den Evangelien die Auferstehung Jesu (Matth. 12, 40 und Lukas 11, 29) . Eine Inschrift auf der Gebeinkiste bekräftigt diese Symbolik: Mit griechischen und hebräischen Buchstaben ist der ausdrückliche Name Gottes eingeritzt, das Wort „Kum“ (Steh auf) wie auch das Wort „Techia“ (Neuleben). Nicht alle Schriftexperten müssen sich dieser Lesart von Professor James Tabor anschließen, aber auch weitere Auslegungen dürften kaum in eine andere Richtung gehen.

Jacobovici hat auch diesmal keine Zweifel über seine Richtung. Sie ist aus seinem mit Oscar-Preisträger James Cameron gedrehten Dokumentarfilm „Das verlorene Jesus-Grab“ in aller Welt bekannt: Bei der Grabhöhle nebenan handelt es sich demnach um das wirkliche Grab Jesu und seiner Familie.

Jesus Sohn Josefs

Finden sich dort doch Ossuarien mit den aus dem Neuen Testament allzu bekannten Namen „Jesus Sohn Josefs“, „Maria“, „Mariamne“, „Matthias“ und „Judas“. Wie vor den Aufnahmen aus dem benachbarten Grab kam es auch bei diesem zu heftigen Protesten strengfrommer Juden. Sie sehen in der archäologischen Auswertung von Gräbern eine Störung der Totenruhe. Deshalb blieben die interessanten Funde nach ihrer Aufdeckung Anfang der 1990er-Jahre so gut wie unerforscht, beschränkte sich die israelische Altertumsbehörde unter diesem Druck doch auf eine oberflächliche Katalogisierung der Gräber. Im Film begründet Jacobivici seine These vor allem auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Sie machen das Zusammentreffen all dieser biblisch eindeutigen Namen „einmalig“. Was aber von so gut wie allen Wissenschaftlern als bloße Vermutung abgetan wird.

Sensationsfund

Yuval Baruch, ein Archäologe der Altertumsbehörde in Jerusalem, ist der einzige Wissenschaftler, der Jacobovicis Funde nicht rundweg ignoriert. Und der die Bilder mit den Inschriften mit eigenen Augen gesehen hat. Auch er weigert sich, die Theorie vom Jesus-Grab zu bestätigen. Doch für ihn wären die Funde aus beiden Gräbern, falls sie sich weiter wissenschaftlich bestätigen, eine Sensation. Es wären dann judenchristliche Symbole der Jerusalemer Urgemeinde. Sie legen Wert darauf, den Wal als koscheres Tier mit Flossen und Schuppen zu zeichnen, gleichzeitig aber schreiben sie im Widerspruch zur orthodoxen jüdischen Tradition den Namen Gottes voll aus.

Aus dem 1. Jahrhundert

Baruch bewertet die Anhäufung der biblischen Namen wie auch die neu gefundenen Inschriften als die wohl frühesten bisher bekannten Spuren dieser judenchristlichen Gemeinde, offensichtlich noch aus dem 1. Jahrhundert: „Deren Mitglieder dürften ihre Kinder häufig auf die Namen ihres Lehrers Jesus, seiner Mutter oder seiner Apostel getauft haben.“

Eine Sicht, die sich den inneren Widerspruch der medienträchtigeren Auslegung Jacobovicis erspart: So würde eine Auferstehung Jesu im Sinne der Überlieferung aus dem Neuen Testament nicht vollkommen über den Haufen geworfen. Im Gegenteil: Nicht die Überlieferung, doch der Glaube an sie würde durch diese neuen Spuren bestätigt.

Denn wie kommt es zur Inschrift „Techia“ auf dem Sarg eines Juden namens Jesus, der dort begraben liegt, also eben nicht auferstanden ist? Eine Antwort wäre nur mittels theologischer Klimmzüge möglich.

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