Neonazi-Lager: 106 Schusswaffen – 4 Geldstrafen

Neonazi-Lager: 106 Schusswaffen – 4 Geldstrafen
Nach einem riesigen Waffenfund in einem Neonazi-Lager im Jahr 2002 kritisiert Karl Öllinger von den Grünen nun die laschen Urteile.

106 Waffen, 60.000 Schuss Munition. Nazi-Plakate und -flugblätter. Devotionalien von der Hitler-Büste bis zum Reichsadler: das Ergebnis der Razzia bei der „SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen“ vor zehn Jahren. Es war der größte Waffenfund bei Neonazis in der Geschichte der Republik – aber nach 2002 ist es um die „Kampfgemeinschaft“ ruhig geworden. Grün-Mandatar Karl Öllinger wollte von Innen- und Justizministerium nun per parlamentarischer Anfrage wissen, was aus dem Fall geworden ist.

„Das Ergebnis ist erschütternd“, sagt er. „Genug Waffen für mehrere Zellen (siehe Faksimile), Propagandamaterial und Nazi-Spielzeug. Aber am Ende sind Prozesse nach dem Waffengesetz vor dem Bezirksgericht übrig geblieben.“ Laut Innenministerium wurde auch wegen der Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung und wegen NS-Wiederbetätigung ermittelt – sechs Personen sind angezeigt worden. Ergebnis der Prozesse laut Justizministerium: vier unbedingte Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz.

Öllinger: „Da bleibt einem die Spucke weg.“ Vor zehn Jahren hat der Fall noch ganz anders ausgesehen. Die Polizei schlug im August 2002 zu: sechs Hausdurchsuchungen in Wien, Niederösterreich und der Steiermark. Laut damaliger Auskunft der Exekutive war zumindest ein amtsbekannter Neonazi unter den Verdächtigen – ein Mitglied der berüchtigten VAPO, die sich in den 80er- und 90er-Jahren unter Anleitung von Gottfried Küssel zu Wehrsportübungen im Wald getroffen hat und deren Ziel die „Neugründung der NSDAP“ war.

Scanner

Neonazi-Lager: 106 Schusswaffen – 4 Geldstrafen

Über den Fund sagte ein Ermittler 2002 zum Falter : „So ein Waffenlager habe ich noch nie gesehen.“ In den Zeitungsberichten von 2002 ist sogar von einem Scanner zum Abhören des Polizeifunks sowie von Anleitungen die Rede, wie man Polizisten ausschalten kann, die schusssichere Westen tragen. Aus dem weiteren Umfeld der Zelle sollen auch Drohbriefe an Polizeibeamte gegangen sein.

Nach der Razzia ist der Fall aber schnell verschwunden: keine Berichte über den Prozess, keine Infos über das Urteil. Bis zu Öllingers Anfragen Ende Dezember.

Schweigen

Drohbriefe, Hitlerbüste, Sprengstoff, panzerbrechende Munition, Anleitungen für Attentate – und am Ende bleiben Verfahren nach dem Waffengesetz und Geldstrafen übrig? Eine Sprecherin des Justizministeriums sagt dazu: Aus Datenschutzgründen könne man keine weiteren Auskünfte zu den Fällen geben. Öllinger: „Bei so einem Verbrechensverdacht erwarte ich mir mehr Auskünfte.“

Er vermutet, dass hier etwas vertuscht werden soll – das Ministerium könne sich auf weitere Fragen zu diesem Fall gefasst machen. Der Fall zeige auch, dass die Ausweitung der Ermittlungsmethoden überflüssig sei, die am Mittwoch mit Regierungsmehrheit im Nationalrat beschlossen wird. „2002 haben die Methoden ja auch gereicht, um die Gruppe auszuheben. Aber wem nützt das, wenn man dann zum Schluss kommt, dass das keine verfolgenswerten Delikte sind?“

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