Neonazi-Ermittlung in neuer Phase

Neonazi-Ermittlung in neuer Phase
Mit einem Aufruf an die Bevölkerung hoffen die Behörden, weitere Helfer und Details der Nazi-Terrorzelle zu finden.

Es ist die aufwändigste Ermittlung meiner Karriere", sagte der Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke in seiner ersten Pressekonferenz zu den zehn Neonazi-Morden. Obwohl schon 420 Beamte eingesetzt sind, brauche er noch hundert zusätzliche, um weitere Helfer der Gruppe zu finden. Die Beamten müssten auch die vielen Details der Taten "so rasch wie möglich" abklären.

Nach dem Selbstmord der beiden Haupttäter sind derzeit vier Neonazis in Untersuchungshaft, darunter die als Mittäterin verdächtige Gefährtin der beiden Mörder, Beate Zschäpe. Generalbundesanwalt Harald Range sagte in der Pressekonferenz, "eine gute Handvoll weiterer Helfer" sei im Visier der Ermittler.

Einer ist offenbar schon in sehr konkretem Verdacht: Er hat den Tätern mit dem Verleihen seiner Ausweise beim Anmieten von Fahrzeugen und Wohnungen geholfen, leugnet das aber. Die Ermittler versuchten, "den Gegenbeweis anzutreten, dass er seine Ausweise nicht verloren hat", deutete Ziercke an

Fahndung

Neonazi-Ermittlung in neuer Phase

Weil es bei den rund 20 Tatorten, 56 angemieteten Autos und mehreren Wohnungen bisher nur etwa 240 Zeugenaussagen und 2500 Fundstücke gibt, ersucht das Bundeskriminalamt die Bevölkerung um Mithilfe. Mit einem bundesweiten Fahndungsplakat, auf dem die Täter und eines der von ihnen häufig benutzten Wohnmobile abgebildet sind, und mit einer Hotline sollen Zeugen gefunden werden. "Jeder Hinweis ist uns wichtig", so Ziercke. Die letzte derartige Fahndung gab es vor zwanzig Jahren gegen die linksextreme Terrorgruppe RAF.

Ziercke nannte auch bisher unbekannte Details: Es wurden Skizzen der Täter von den Tatorten gefunden, ihre Listen von 83 Personen, die sie als Ziele in Betracht zogen, stammen aus 2005. Diese wurden davon unterrichtet, haben aber keinen Polizeischutz.

Zu den vielen Unklarheiten rund um den letzten Mord der Gruppe, den an der 22-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn, stellte Ziercke klar, dass keiner seiner Beamten dabei war. Einen entsprechenden Bericht des stern haben die Behörden dementiert. Die Ermittler vermuten weiterhin aber eine persönliche Verbindung des Opfers mit den Tätern. Auch ob Zschäpe für den Verfassungsschutz gearbeitet hat, ist immer noch unklar.

Dass bei den Morden an den acht türkisch- und dem griechisch-stämmigen Opfer nie die Neonazi-Spur verfolgt wurde, begründete Ziercke mit Indizien in deren Umkreis für andere mögliche Motive.

Inzwischen zeichnet sich laut Rheinische Post eine Mehrheit unter den Innenministern des Bundes und der Länder für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD ab. Ein derartiges Verfahren war 2003 gescheitert, weil nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu viele V-Leute in der Partei tätig waren.

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