Murdoch: Medien, Macht und Manipulationen

Beben Nach der Abhör-Affäre in Großbritannien stehen Medien, Politik und ihr Naheverhältnis am Pranger - das ist nicht nur ein britisches Phänomen.

Er hat sein britisches Boulevardblatt News of the World nach 168 Jahren wegen der Enthüllung über dessen Recherche-Methoden am 10. Juli 2011 eingestellt. Er hat sich auf anderen Titelseiten bei den Briten entschuldigt. Er sprach bei den Eltern der 2002 entführten und getöteten 13-jährigen Milly Dowler vor, deren Mobilbox von seinen Reportern abgehört und so manipuliert worden war, dass die Eltern glauben konnten, ihre Tochter lebte noch. Demütigend, für einen wie ihn.
Und dann auch noch das: Als sich Rupert Murdoch Dienstag dieser Woche im britischen Unterhaus aufgrund der Abhör-Affäre einer Anhörung unterziehen und den "Tag der größten Demut" seines Lebens erfahren muss, beschmiert ein Aktivist den 80-jährigen Australier mit einem Teller voll Rasierschaum. Seine hinter ihm sitzende Frau Wendi Deng (42) wirft sich dazwischen, kann den Angriff nicht verhindern, den Täter aber ohrfeigen. Und die ganze Welt kann via TV-Live-Übertragung dabei zusehen. Es ist mehr die Symbolkraft der Attacke als die Attacke selbst, die Keith Rupert Murdoch schmerzen muss.

Imperium

Er, der in die Fußstapfen seines Verleger-Vaters Keith trat, baute in 50 Jahren ein weltumspannendes Medien-Imperium auf, das ihm seit jeher höchsten Respekt wie größte Kritik einbringt. Murdochs News Corporation -Konzern erreicht heute 4,7 Milliarden Menschen, zwei Drittel der Weltbevölkerung. 170 Zeitungen, darunter das renommierte US- Wallstreet Journal , die britische Qualitätszeitung The Times ebenso wie die britischen Boulevard-Blätter The Sun und bis vor Kurzem News of The World gehören ihm. In den USA nennt er die Filmfirma 20th Century Fox und den TV-Sender Fox , in Deutschland, Italien, Großbritannien und Neuseeland die TV-Sender Sky sein eigen.
Murdoch, der Tycoon, ist mit den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft nicht nur auf Du und Du - er ist einer von ihnen. Und Ende Juni sah seine Welt noch anders aus: Beim Sommerfest des Zeitungszaren in Kensington Gardens gab sich die britische Elite von Premier David Cameron abwärts ein strahlendes Stelldichein. Sehen und gesehen werden - seit Jahrzehnten am besten bei Murdoch.
Als Anfang Juli bekannt wird, dass Journalisten der zur Murdoch-Gruppe gehörenden News of the World nicht nur Promis abgehört und Polizisten bestochen, sondern Handy-Mailboxen der Angehörigen von getöteten Soldaten sowie des entführten Mädchens geknackt hatten, hat das Strahlen ein Ende. Es geht Schlag auf Schlag und um Existenzen.

Festnahmen

Die früheren News of the World-Chefredakteure Andy Coulson und Rebekah Brooks, Chefin von News International und Murdoch-Vertraute, werden festgenommen (und sind auf Kaution wieder frei). Brooks, die rothaarige "Ziehtochter" des Moguls, tritt zurück.
Scotland-Yard-Chef Paul Stephenson und sein Vize, Antiterrorchef John Yates, treten ebenfalls zurück. Der Polizei wird vorgeworfen, Ermittlungen gegen die Abhörpraktiken absichtlich unterlassen zu haben.
Der Ex-News of the World-Reporter Sean Hoare, der Details der Affäre öffentlich gemacht hatte, wird in seinem Haus tot aufgefunden.
Das FBI ermittelt, weil auch Angehörige von 9/11-Opfern abgehört wurden.
Während sich die Ereignisse überschlagen und Premier Cameron eine konsequente Aufklärung der Affäre ankündigt, sind er selbst und das politische Establishment längst im Kreuzfeuer der Kritik. Denn: David Cameron hatte ausgerechnet Ex-Chefredakteur Andy Coulson 2007 zu seinem Pressesprecher gemacht und das, obwohl Coulson wegen einer Abhöraktion gegen das Königshaus bei News of the World gehen musste.
Als sich Camerons Amtsvorgänger Gordon Brown 2006 beklagt, dass Murdochs Zeitung Sun die Mukoviszidose-Erkrankung seines Sohnes auf der Titelseite hinausposaunt hatte, belegt das Murdoch-Blatt Times , wie intensiv Brown weiter freundschaftliche Kontakte zur verantwortlichen Chefredakteurin pflegte.
Es ist dieses Naheverhältnis zur Politik, das wechselseitige Geben und Nehmen, mit dem Murdoch über Jahrzehnte sein Imperium, seine Macht aufgebaut hat.

Der konservative Verleger, der Ed Koch zum New Yorker Bürgermeister hochschreiben ließ und mit dem Nachrichtensender Fox News die Tea-Party-Ikone und US-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin "machte"; der in Großbritannien nicht nur den Boulevard radikalisierte, sondern mit der Rettung der Times und Sunday Times das bürgerliche Spektrum erreicht; der seine Journalisten in die hintersten Schlafzimmerwinkel blicken lässt und die Royals mit Enthüllungen wie jener über Prinz Charles' Wunsch, Camillas Tampon zu sein, erzittern lässt, hat unbestritten eines: Macht.

Die Politik hat vor ihm gezittert, ihn umarmt. Seit Jahrzehnten. Um nicht von seinen Medien zerfleischt zu werden. Tony Blair flog als Oppositionsführer bis nach Australien, um sich seinen Sanktus für den Premier-Posten zu holen - und wohl Versprechen abzugeben.
Jetzt steht dieses System am Pranger. Auch, weil Rupert Murdoch Bürger und damit Leser ausspionieren ließ. Ob aus dem Sturm früher oder später einer im Wasserglas wird, Murdoch seine Macht an seine Kinder abgibt, steht zur Diskussion - das Buhlen der Politik um die Gunst des Boulevards nicht. Nirgendwo.

Kommentare