Mohamed Merah: ein gar nicht so einsamer Wolf

Mohamed Merah: ein gar nicht so einsamer Wolf
Der islamistische Serienkiller war mit Gleichgesinnten vernetzt und stand unter Beobachtung der Behörden.

Ein „einsamer Wolf“ sei er gewesen, behaupten Terrorspezialisten, um den islamistischen Serienkiller Mohamed Merah aus Toulouse zu charakterisieren. „Wolf“ mag stimmen, wie „einsam“ er tatsächlich war, ist aber noch ungeklärt.

 „Höflich, zuvorkommend, umgänglich“, so charakterisierten ihn Zufallsbekannte. Das sagten auch der Chef der KFZ-Werkstatt, der ihn eine zeitlang als Karosserie-Lehrling beschäftige und mit ihm voll auf zufrieden war, und sein Anwalt, Christian Etelin, der ihm bei einem dutzend Delikten zur Seite stand. Allerdings konstatierte Etelin auch „Schwächen in seiner Persönlichkeit“.

  Mohamed Merah wurde vor 23 Jahren in einer algerischen Familie in Toulouse geboren. Als 14 Jähriger rutschte er in jene Art von Gelegenheitskriminalität, die in städtischen Randsiedlungen nicht extrem auffällig ist. Der feingliedrige, akrobatisch talentierte Motorrad-Fan, der Freunde verblüffte, indem er auf der Lenkstange stehend fuhr, stahl Mopeds und handelte mit dem Diebesgut. Schließlich kam Gewaltanwendung dazu, als er einer Bankkundin die Handtasche entriss. Nach 15 Verurteilungen gewährte die Justiz keinen Aufschub mehr, und Merah musste 18 Monate Haft antreten. In Frankreichs Gefängnissen geben Islamisten oft unter den Häftlingen den Ton an.

 

Vorwürfe an die Mutter

Jedenfalls schien Merah nach der Haft auch seinem Anwalt verändert: „Er entwickelte einen Hass auf die Gesellschaft und verfiel in religiösen Wahn“. Trotzdem bewarb sich Merah bei Frankreichs Bodenarmee, wurde aber wegen seines Vorstrafenregisters abgelehnt. In diese Zeit fallen auch Episoden, über die ehemalige Nachbarn aus der Sozialbausiedlung, in der er aufwuchs, berichten: Eine Frau, selber Muslima, behauptet, Merah habe sie als „Ungläubige“ beschimpft, sie und ihre Kinder geschlagen, mit dem Tod bedroht.

Der Anlass: Merah, das berichten auch andere Zeugen, lockte Kinder in ein Auto, um ihnen „grauenhafte Videos mit Kriegsszenen und Enthauptungen vorzuspielen“. Auch seiner Mutter, Alleinerzieherin dreier Kinder und stets mit Kopftuch bedeckt, warf er „westlichen Lebensstil“ vor, und dass sie „ohne einen Mann“ lebe – der Vater hatte die Familie verlassen. 

2010 bricht Merah nach Afghanistan auf, wird von der örtlichen Polizei festgenommen, den Amerikanern übergeben, die ihn nach Frankreich zurückschicken. Er versucht es ein zweites Mal und gelangt in ein Ausbildungslager der Dschihadisten in Pakistan, kehrt aber nach einer Hepatitis-Erkränkung überstürzt nach Frankreich zurück. „Aber als er zurückkam, wirkte er nicht fanatisch“, sagt sein Anwalt: „Er trug keinen Bart, er hatte immer noch seine Engelsgesicht, er war der sanfte, höfliche Bursch“.

Dschihadisten-Clan

So naiv zeigten sich die französischen Sicherheitsbehörden nicht. Wie die übrigen, rund drei dutzend jungen französischen Muslime, darunter Konvertiten, die bei den Dschihadisten in Pakistan geweilt hatten, observierte der Inlandsgeheimdienst  Mohamed Merah aber auch seinen älteren Bruder, Abdelkader. Dieser hatte einer Gruppe angehört, die sich in einer Bergregion südlich von Toulouse unter der Leitung eines franko-syrischen „Emirs“ auf die Teilnahme am Irak-Krieg vorbereitete. Die Mitglieder dieses Dschihadisten-Klans stammten aus den selben Siedlungen in Toulouse, verkehrten in der selben Moschee und waren mit Gleichgesinnten in Belgien eng vernetzt bis sie 2007 festgenommen wurden. Vor Ort fand die Polizei Sprengstoff und Abschiedsbriefe, die auf Kamikaze-Pläne schließen ließen.

Der Bruder, in dessen Wagen jetzt ebenfalls Waffen und Sprengstoff gefunden wurden, wurde gemeinsam mit der Mutter und Schwester des toten Täters festgenommen. Sie werden pausenlos verhört. Die Behörden wollen wissen, wie Mohammed Merah, der als arbeitslos gemeldet war und nur die staatliche Mindeststütze bezog, sich diverse Fahrzeuge und Wohnungen leisten konnte. Geklärt ist bisher nur, wer für ihn reinemachte: „Seine Mutter, eine nette Frau mit Kopftuch, kam mit dem Bus um seine Wohnung zu säubern und seine  Wäsche mitzunehmen“, erzählte die Hausbesorgerin.

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