Mladić-Prozess: Der "Schlächter" vor Gericht

Mladić-Prozess: Der "Schlächter" vor Gericht
Der Ex-Armeechef der bosnischen Serben steht seit gestern in Den Haag vor Gericht. Den Anklägern läuft die Zeit davon.

Der graue Anzug wirkt etwas groß für den schmächtig gewordenen Ratko Mladić, aber er sitzt. Der Krawattenknoten ist perfekt. Mladić will souverän wirken – hier in Den Haag, an seinem ersten Prozesstag. Schon bei den Anhörungsterminen, die seit seiner Auslieferung dort abgehalten wurden, wollte der ehemalige General zeigen, wer der Herr des Gerichtssaals ist. Um keinen Preis will er schwach oder kränklich wirken.

Seit Mittwoch läuft der Prozess gegen den früheren Militärchef der bosnischen Serben. In elf Punkten ist der 70-jährige Ratko Mladić angeklagt (siehe unten). Als der frühere General den Gerichtssaal betritt, klatscht er und streckt den Daumen in die Höhe. Auch das zeigte Mladić in seinen Anhörungen deutlich: Von seiner Meinung, seiner Siegessicherheit und von seinen Verschwörungstheorien ist er nicht abgewichen.

Der 1942 in Kalinovik bei Sarajewo geborene Mladić wurde 1991 zum Chef der Jugoslawischen Volksarmee in Knin in Kroatien. Er unterstützte die serbische Minderheit in dieser Region bei ihrer Abspaltung von Zagreb. 1992 machte ihn der Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadzić, zum Armeechef der bosnischen Serben. Gemeinsam planten sie die Eroberung Bosniens durch Belagerungen und Massaker. Das geht aus den Beweisen der Anklage hervor.

"Tötungsexperten"

Für 57 genau spezifizierte Verbrechen soll Ratko Mladic persönlich verantwortlich sein, sagte der amerikanische Staatsanwalt Dermot Groome gestern. Er eröffnete die Verlesung der Anklageschrift mit der detaillierten Umschreibung der Ermordung von 150 muslimischen Männern im November 1992 durch Mladićs Truppen.

Mit weiteren Beispielen, die er im Gerichtssaal vortrug, machte er deutlich, wie Mladić und seine Entourage "friedliche Menschen durch Verängstigung mobilisiert" haben sollen. Sie sollen unter bosnischen Serben Geschichten in Umlauf gebracht haben, wonach die Muslime sie auslöschen wollten. Dann hätten sie ihnen Waffen ausgehändigt. Aus einfachen bosnischen Serben machten Mladićs Truppen "Experten, um Menschen zu töten", führte Groome vor dem Gericht aus. Mit dem Ziel, "Großserbien" zu errichten.

Faktor Zeit

Am Donnerstag soll das Verfahren weitergehen. Insgesamt könnte der Prozess zwei bis drei Jahre dauern. Jener von Radovan Karadzić begann 2009 – und läuft immer noch. Der Gerichtshof versucht, den Prozess zu beschleunigen, doch weitere Verzögerungen durch die Verteidigung sind nicht ausgeschlossen.

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wurde 1993 von der UNO gegründet. Sein Mandat läuft am 1. Juli 2013 offiziell aus. Den Mladić -Prozess könnte man theoretisch bis 2015 weiterziehen, aber nur als "Stiefkind", denn das Geld wird langsam ausgehen.

Mladić ist 70 und angeblich schwer krank. Es schaudert die Ankläger, wenn sie sich an das Debakel des Milosević-Prozesses erinnern. Der zog sich über vier Jahre – bis der serbische Ex-Präsident an einem Herzinfarkt starb, bevor man ihn verurteilen konnte.

Die Kriegsherren Serbiens werden von einigen ihrer Landsleute heute noch als Helden verehrt. Mladić zum Beispiel konnte jahrelang in Serbien untertauchen, bis er am 26. Mai 2011 gefunden wurde. Die Auslieferung ebnete schließlich den Weg Serbiens in Richtung EU. Mittlerweile sind etliche seiner Helfer bekannt und sollen vor Gericht gebracht werden. Viele sind aber noch auf freiem Fuß und leben zum Teil angesehen in Serbien.

Die gerichtliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen ist im Gange. Die geschichtliche Aufarbeitung in der Region steht erst am Anfang.

Vorwürfe des Strafgerichtshofes

Anklagepunkte: In elf Punkten ist Ratko Mladić angeklagt. Darunter Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Massaker: Mladic werden unter anderem die 44 Monate lange Belagerung Sarajewos mit mehr als 10.000 Toten vorgeworfen, die Vertreibung von rund 400.000 Menschen, die Gräuel in Gefangenenlagern und das Massaker an etwa 8000 muslimischen Männern in Srebrenica im Juli 1995.

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