Messner: "Wir sind die Flaschen von Europa"

Messner: "Wir sind die Flaschen von Europa"
Die Serie zu Wirtschaft, Krise und alternativen Sichtweisen – mit Gästen, die nicht jeden Tag auf Wirtschaftsseiten zu Wort kommen.

Wenn sich die Krise verschärfen sollte, will sich Reinhold Messner auf seinen Selbstversorger-Bauernhof zurückziehen. In den hat er schon vor 25 Jahren investiert – als Altersvorsorge.

KURIER: So wie viele Ihrer Kollegen auch, halten Sie Vorträge und Seminare für Manager. Woher rührt das? Was können denn die Wirtschaftsbosse von den Bergsteigern lernen?

Reinhold Messner: Es gibt ein Klischee, das schon seit 2500 Jahren gilt: Wer auf den höchsten Berg gestiegen ist, der muss über alles andere auch am besten Bescheid wissen. Moses hat die zehn Gebote von einem Berg heruntergebracht, Buddha hat im Himalaja meditiert und Allah hat am Berg Hira zu Mohammed gesprochen. Doch wir Alpinisten haben ebenso wenig wie andere die Wahrheit vom Berg heruntergetragen. Das meiste, das Bergsteiger vor Managern erzählen, ist ja absoluter Humbug.

Trotzdem kommt es offenbar sehr gut an?

Siemens zu managen ist milliardenfach schwieriger, als auf den Everest zu steigen. Das Einzige, was ich machen kann, ist, Erfahrungen aus meiner Welt zu präsentieren. Ich bleibe ausschließlich bei meinen bergsteigerischen Aussagen und übertrage sie nur soweit, dass ich sage: In Extremsituationen funktioniert der Mensch so und so – und zwar mehr nach Instinkt. Aber da ist der Manager eigentlich schon verloren, denn ohne sein Wissen und seine Erfahrung einzusetzen, wird er nicht weit kommen. Instinkt und rationelles Handeln zusammenzubringen, das ist die Aufgabe meiner Zuhörer und nicht meine.

Es scheint, dass viele Manager genau daran scheitern – schaut man sich die Entwicklungen in der Finanzwelt der vergangenen Jahre an ...

Es gibt sicherlich Finanzmanager, die überhaupt nicht zuhören wollen, die einzig ihren Gewinn im Auge haben und der Rest interessiert sie null. Mit der Moral ist es ja vielfach nicht so weit her. Deshalb braucht es Regeln. Sonst nehmen sich die einen alles, auch wenn die andern verhungern.

Wem trauen Sie in finanziellen Dingen über den Weg? Anlageberatern, Ihrer Hausbank? Oder bunkern Sie Ihr Erspartes doch lieber unterm Kopfkissen?

Ich habe 2009 vor 1000 europäischen Managern und Bankern in Wien einen Vortrag gehalten. Den habe ich mit folgender Anekdote begonnen: Als ich 40 Jahre alt geworden bin, habe ich erkannt, dass ich auch eine Verantwortung für mein Rentendasein habe. In eine Pensionskasse hab’ ich zuvor nie eingezahlt, weil ich auch nie gedacht habe, dass ich überhaupt 40 Jahre alt werde. Mein Bauch hat mir aber auch dann von Rentenpapieren abgeraten.

Wo haben Sie stattdessen investiert?

Ich habe einen Selbstversorger-Bauernhof gekauft. Ich produziere heute Wein, Obst, Gemüse, Holz – alles, was man zum Leben braucht. Ich kann morgen auf meinen Bauernhof zurückgehen und mit ein paar Familien alles erzeugen um ein Auskommen zu haben. Und zwar ohne in die Wirtschaftswelt eingebunden zu sein. "Warum ich das gemacht habe?", habe ich dann die Manager gefragt. Die Antwort: "Weil ich nie an Sie und Ihre Papiere geglaubt habe!"

Ein Raunen ging da wohl durch die Menge ...

Nein. Sie sind aufgestanden und haben applaudiert. Denn sie wissen schon selbst, was da zum Teil schiefläuft.

Von klassischen Anlageprodukten halten Sie also nicht viel?

Ich hatte das große Glück, dass ich immer Ideen hatte, die finanziert werden wollten. Mein Leben besteht ja nur daraus, dass ich Ideen in die Tat umgesetzt habe. Das Haben ist ja immer langweilig. Spannend ist nur das Gestalten. Das ist dann meine Rendite, davon lebe ich emotional.

"Dann geht es mit Europa den Bach hinunter"

Messner: "Wir sind die Flaschen von Europa"

Befürchten Sie, dass die Euro-Krise Italien ähnlich in Geiselhaft nehmen wird wie Griechenland?

Mario Monti (Italiens Premier, Anm.) hat bisher nicht viel mehr gemacht, als das Land zu Tode gespart. Die Schulden steigen. Nicht nur, weil wir mehr Zinsen für unsere Staatsanleihen zahlen müssen, sondern weil uns die Steuereinnahmen wegbrechen. Wir sind nicht mehr konkurrenzfähig, sondern die Flaschen von Europa. Die italienischen Bürger werden nicht dazu angehalten, sich auf die Hinterbeine zu stellen und zu sagen: Jetzt werden wir wieder Weltspitze beim Design oder bei den Lebensmitteln. In der globalisierten Welt gilt es aber, hohe Qualität zu liefern. Und nicht, sich hinzulegen und drauf zu hoffen, dass die anderen einen durchfüttern.

Wie sehen Sie die Rolle Deutschlands?

Das, was Italien, Spanien und Frankreich wollen, ist, dass Deutschland, aber auch Österreich, die Schulden der anderen übernehmen. Aber das ist den Bürgern nicht zuzumuten. Und das wird Frau Merkel auch nicht machen. Denn wenn sich diese Philosophie durchsetzt, geht es mit Europa wirklich den Bach hinunter.

Sind Sie im Bezug auf die Euro-Krise eher Optimist, oder stimmen Sie in die zum Teil apokalyptischen Warnungen jener ein, die ein Zusammenbrechen der EU prophezeien?

Die Gefahr einer Verschärfung der Krise, bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, kann man natürlich nicht ganz ausschließen. Aber ich denke, wir Europäer sollten so reif sein, dass wir dem vorbeugen. Dennoch bin ich noch keinem Wirtschaftsexperten begegnet, der mir sagen konnte, wie die Krise zu regeln wäre. Alle sagen mir, es ist so chaotisch, dass es keine klare Antwort mehr gibt. Aber ich bin nicht so pessimistisch, weil ich glaube, dass das Ganze, mit sehr viel Mühe, in zehn Jahren regelbar ist. Aber mit vielen Einschnitten und mit noch mehr Verzicht. Alle müssen einsehen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt.

 

Zur Person: Reinhold Messner

Grenzgänger

Reinhold Messner (67) hat neben allen 14 Achttausendern und 100 Erstbesteigungen u. a. auch die Wüste Gobi und die Antarktis zu Fuß durchquert. Den Mount Everest hat er als Erster ohne Sauerstoffgerät bezwungen. Messner ist aber auch Buchautor, Dokumentarfilmer, Bergbauer, Museums-Betreiber (Messner Mountain Museum), Gastronom (Restaurant "Yak&Yeti"), Vortragsredner und Burgherr (Schloss Juval im Vinschgau). Er war auch als Vertreter der Grünen fünf Jahre im europäischen Parlament. Messner ist mit einer Wienerin verheiratet und hat drei Kinder.

Bisher erschienen in der KURIER-Sommerserie "Das andere Interview":

Josef Penninger

Hannes Jagerhofer

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