Lopatka: "EU sollte Bandbreite festlegen"

Lopatka: "EU sollte Bandbreite festlegen"
In einem neuen EU-Vertrag sollten Teile der Sozialpolitik vergemeinschaftet werden, fordert Staatssekretär Lopatka.

S taatssekretär Reinhold Lopatka, der am Dienstag angelobt wurde, fordert, dass die EU eine einheitliche Bandbreite für das Pensionsantrittsalter festlegt. Daran müssen sich dann alle Regierungen halten. In einem neuen EU-Vertrag will er Teile der Sozialpolitik vergemeinschaften. Auch für die Wissenschafts- und Forschungspolitik kann er sich die Abgabe von nationaler Souveränität vorstellen.

KURIER: Herr Staatssekretär, wie hart wird da die Auseinandersetzung zwischen ÖVP und SPÖ? Werden Sie die EU-Linie der ÖVP oder die der Regierung vertreten?
Reinhold Lopatka: Meine Geschäftsgrundlage ist das Regierungsprogramm. Darüber hinaus darf es weder ein Denk- noch ein Sprechverbot geben.

Als Folge der Schuldenkrise wird ein neuer EU-Vertrag diskutiert. Welche Souveränitätsrechte sollten im neuen Vertrag abgegeben werden?
Teile der Sozialpolitik sollten meiner Meinung nach gemeinschaftlich, das heißt von der EU, festgelegt werden.

Was zum Beispiel?
Die EU soll nicht tatenlos zusehen müssen, wenn Länder das Pensionsalter absenken, was Frankreich derzeit macht. Das ist ein Irrweg. Die EU sollte in einem neuen Vertrag eine Bandbreite für das Pensionsantrittsalter festlegen können. Bei schrumpfender und alternder Bevölkerung muss die EU wettbewerbsfähig bleiben. Das ist die Herausforderung. Da das Pensionssystem zu den größten Kostentreibern gehört, muss hier angesetzt werden. Will die EU ihr Wohlstandsmodell beibehalten, muss rechtzeitig darauf geschaut werden, wie Pensionen finanziert werden können.

Sollten andere Bereiche auch noch in die Kompetenz der EU wandern?
Auch Wissenschaft und Forschung könnten stärker vergemeinschaftet werden.

Sollte es auch einheitliche Uni-Zugangsregelungen und Studiengebühren geben?
Die EU muss wettbewerbsfähiger werden, das ist gerade bei Wissenschaft und Forschung zu berücksichtigen.

Auch in der Verteidigungspolitik, was das Ende der Neutralität zur Folge hätte?
Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Aber in einer Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte die Neutralität obsolet werden.

Sie führen die Verhandlungen über den Finanzrahmen 2014 bis 2020. Gibt es schon eine gemeinsame Regierungslinie?
Ich sehe keine Dissonanzen innerhalb der Regierung. Österreich ist Nettozahler, der Steuerzahler soll nicht über Gebühr zur Kasse gebeten werden. Ich erwarte von der EU-Kommission, dass sie nicht auf stur schaltet und auch Sparwillen zeigt. Österreich braucht hier Allianzpartner. Es geht um Förderungen für die ländliche Entwicklung und die Landwirtschaft.

Und die Türkei? Sind Sie für den Beitritt?
Die wirtschaftliche Entwicklung ist großartig, aber andere Bereiche, wie die Behandlung kritischer Journalisten und religiöser Minderheiten, sind nicht großartig. Man muss der Türkei ehrlich sagen, dass ein Vollbeitritt nicht möglich ist. Die Verhandlungen sollten aber nicht abgebrochen werden.

Die ÖVP zählt in der Schuldenkrise zu einem Scharfmacher? Wollen Sie die EU-Kritiker abholen?
Wenn ich Europa stärken will, muss ich bei den Schwächen ansetzen. Es gibt Länder, die Regeln missachtet haben. Eine Vereinbarung, wo es am Ende keine Sanktionen gibt, wirkt nicht. Spindelegger hat nie davon gesprochen, die Griechen aus dem Euro zu werfen. Der Rausschmiss soll die ultima ratio in einem neuen EU-Vertrag sein.

Wie ist Ihre Arbeitsteilung mit dem Außenminister?
Ich unterstütze den Außenminister bei seiner Arbeit im In- und Ausland. Ich werde sicher neben der eigenen Planung viele Vertretungsaufgaben übernehmen. Mein Terminkalender ist sehr dicht. Brüssel ist ganz oben auf der Agenda.

Wie wichtig ist Ihnen die EU-Information?
Wir haben eine Bringschuld. Ich werde den direkten Kontakt zu den Bürgern suchen. Ich möchte das planmäßig machen, auch mit Unterstützung der Europa-Abgeordneten.

Was werden Sie erzählen?
Zum Beispiel, dass die Rückkehr zum Schilling ein Sprung ins Verderben wäre. Österreich ist ein Exportland, wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit. Die EU sichert uns Tausende Arbeitsplätze. Schmerzlich und emotional hingegen für jeden Menschen ist, wenn er seinen Arbeitsplatz verliert. Und wir dürfen die Jungen für Europa nicht verlieren, denn Europa ist ihre Zukunft.

Reinhold Lopatka: Der Marathon-Mann

Karriere Lopatka (1960) studierte Theologie und Jus an der Uni Graz, Promotion mit Auszeichnung. Ab 1986 politisch für die ÖVP tätig; 2002 Wahlkampfleiter, 2003 Generalsekretär, Abgeordneter; drei Mal Staatssekretär (Sport, Finanzen und aktuell für Europa).

Privat Verheiratet, drei Söhne. Marathonläufer (mehr als 70)

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