London: Das Duell der Riesen-Egos

London: Das Duell der Riesen-Egos
London putzt sich für Olympische Spiele und Thronjubiläum heraus und steckt doch in einem schmutzigen Wahlkampf um den Bürgermeister.

Hitler geht immer – wenn man in Großbritannien gerade einen Bösewicht braucht. Und Ken Livingstone packte Winston Churchill gleich dazu. Seit dem „großen Kampf“ der beiden, so tönte der 66-jährige Sozialist, sei den Briten eine Wahl wohl nicht mehr so leicht gefallen. Ein kühner Vergleich, immerhin war Churchill Konservativer und außerdem ist Livingstones aktueller Gegner kein verhasster Diktator, sondern ein durchaus beliebtes Stadtoberhaupt. Auch geht es nicht um einen Weltkrieg, sondern schlicht um den Bürgermeistersessel in London.

Hundert Tage, bevor sich die britische Hauptstadt mit ihren Olympischen Spielen der Welt auf Hochglanz präsentieren will, ist um den Posten ein schmutziger Wahlkampf entbrannt. Geprägt wird er keineswegs von den aktuellen Problemen in der Millionenmetropole, wie dem kollabierenden öffentlichen Verkehr oder der massiv gestiegenen Verbrechensrate, sondern schlicht von der Frontalkollision zweier übergroßer Egos. Auch Amtsinhaber Boris Johnson, 47, zieht in diesem Duell gerne blank und beschimpft seinen Gegner vor laufenden Mikrofonen als „versch... Lügner“ und und wirft Livingstone Steuerhinterziehung vor, für einen linken Labour-Veteranen besonders schmerzlich.

Es ist nicht das erste Aufeinandertreffen der beiden. Vor vier Jahren fand es unter umgekehrten Vorzeichen statt. Da war Ken Livingstone Bürgermeister von London – und weit mehr als das. Der „rote Ken“ war über Jahre einer der Hauptgegner der rechten Regierung Margaret Thatchers gewesen. Er prangerte die soziale Kälte, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich an und ließ auf dem Dach des Londoner Rathauses eine Leuchttafel montieren, auf der die aktuellen Arbeitslosenzahlen zu lesen waren.

Cool Britannia

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Als Labour unter Tony Blair an die Regierung kam, gab Livingstone weiter den aufmüpfigen Linksaußen. Doch in der boomenden Finanzmetropole wirkte er als Bürgermeister bald altmodisch. Vor allem gegen Boris Johnson. Der prominente Journalist und charmant-exzentrische Sohn einer Diplomatenfamilie verkörperte den Geist von „cool Britannia“, der London damals auf Hochtouren hielt, perfekt.

Weltbürger mit Witz gegen angestaubten Altlinken: Ein politisches Duell, das 2008 nur einer gewinnen konnte, auch weil die ausgebrannte Labour-Regierung Livingstone belastete. Der verlor und schwor seither Rache. Am 3. Mai, wenn im ganzen Land Lokalwahlen stattfinden, soll es so weit sein. Diesmal hat Livingstone Rückenwind. Die Krise hat von „cool Britannia“ nicht mehr viel übrig gelassen, die Sparpolitik der konservativen Regierung ist zunehmend unpopulär. Doch Johnson, ohnehin auf kritischer Distanz zu Partei und Premier Cameron, hat als Bürgermeister mit interessanten Projekten gepunktet. So führte er die Leihfahrräder ein, die inzwischen nur noch „Boris-Bikes“ heißen.

Johnson kämpft darum, nicht vor den geplanten Höhepunkten seiner Bürgermeisterlaufbahn abtreten zu müssen: Olympia und das diamantene Thronjubiläum der Queen, Anfang Juni. Und ihre Majestät hofft insgeheim sicher auf den Konservativen. Schließlich hatte der Antimonarchist Livingstone nie ein gutes Wort für sie. Im Buckingham Palace, tönte der „Rote Ken“ einst, könne sie trotzdem ruhig bleiben – sonst müsse ja er in das alte Gemäuer einziehen.

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