Litauen: Was die Justizministerin wusste

Litauen: Was die Justizministerin wusste
Der Konflikt mit Litauen um die Auslieferung eines ehemaligen KGB-Offiziers wird nun auch zum Streitthema in Österreich.

Die Justizaffäre zwischen Litauen und Österreich um einen mutmaßlichen russischen Kriegsverbrecher wächst sich aus. Am Dienstag gab es erstmals auch scharfe Kritik von österreichischer Seite am Vorgehen der heimischen Justiz. Die hatte am vergangenen Freitag Ex-KGB-Offizier Mikhail Golowatow nicht einmal 24 Stunden nach seiner Verhaftung am Flughafen Schwechat wieder laufen lassen.

Litauen macht Golowatow für den Tod von 14 Demonstranten im Jahr 1991 verantwortlich. Damals stürmten sowjetische Spezialeinheiten das Fernsehgebäude in Vilnius. SPÖ-EU-Parlamentarier Hannes Swoboda erklärte gestern, dass Österreich "da sehr unsensibel und eigentlich nicht solidarisch gehandelt hat". Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) habe sich "schon etwas patzig" verhalten. Und man hätte Litauen, das so schwere Anschuldigungen vorgebracht hat, mehr als 24 Stunden Zeit geben müssen, den Tatverdacht zu begründen. Auch der Menschenrechts- und Europarechtsexperte der Uni Wien, Manfred Nowak, kritisierte die "schnelle Entscheidung" der österreichischen Behörden. Es gebe eine "schiefe Optik". Österreichs Justiz- und Außenministerium beteuerten auch gestern, korrekt gehandelt zu haben.

Rückblende

Golowatow war am vergangenen Donnerstag um 16.45 Uhr am Flughafen Wien verhaftet worden - auf der Grundlage war eines Europäischen Haftbefehls. Normalerweise muss ein EU-Land in einem solchen Fall den mutmaßlichen Straftäter ohne inhaltliche Prüfung der Vorwürfe an das andere EU-Land ausliefern. So sieht es die Regelung zum Europäischen Haftbefehl vor, die 2002 beschlossen wurde. Österreich hat damals aber eine Vorbehaltserklärung abgegeben: Es werde die neuen Regeln nicht rückwirkend anwenden; bei Vorwürfen, die auf die Zeit vor 2002 zurückgehen, gelte altes Recht.
Daher wendete die zuständige Staatsanwaltschaft Korneuburg das "Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz" an. Dieses verlangt, dass die heimische Justiz die Vorwürfe inhaltlich prüft. Und da hätten die Litauer ihre Hausaufgaben nicht gemacht, kritisieren die Österreicher.

Nach der Verhaftung verlangte die Justiz von den Litauern, bis Freitag, 12 Uhr, genauere Informationen über den Tatverdacht zu liefern. Die Frist wurde bis 14 Uhr verlängert. Als auch dann nichts Befriedigendes aus Litauen gekommen sei, habe man Golowatow ausreisen lassen, sagt die Staatsanwaltschaft Korneuburg. Faktum ist: Die österreichischen Behörden hätten den Litauern deutlich mehr Zeit geben können. Golowatow hätte bis zu 48 Stunden festgehalten werden dürfen. Bei Problemen mit der Aktenübermittlung oder wenn Unterlagen übersetzt werden müssen, kann diese Frist noch verlängert werden. Wurde Golowatow auf Druck der Russen freigelassen? Nein, beteuern Außen- und Justizministerium in Wien. In russischen Medien werden die Moskauer Behörden allerdings dafür gelobt, Golowatow freibekommen zu haben. Dass der Fall heikel ist, dürfte der heimischen Justiz von Anfang an klar gewesen sein. Ministerin Beatrix Karl wurde von Golowatows Verhaftung bis zu seiner Freilassung laufend informiert. Ihr Sprecher sagt, dass die Ministerin die Entscheidungen nicht beeinflusst habe.

Schelte

Litauen: Was die Justizministerin wusste

EU-Kommissarin Viviane Reding bestätigt, dass Österreich rechtlich korrekt gehandelt hat: "Österreich musste den Haftbefehl nicht exekutieren." Zwischen den Zeilen gab es von Reding jedoch Schelte für Österreichs Vorgehen: "Juristisch ist die Frage eindeutig geklärt. Das Politische ist eine andere Frage." Reding betont, dass jedes EU-Mitglied verpflichtet sei, "seinen Partnern ernsthaft zu helfen".

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