Lehrer darf den Stinkefinger zeigen

Lehrer darf den Stinkefinger zeigen
Er streckte Schülern Mittelfinger hin und propagierte Schläge für Frauen: Anschaulicher Unterricht, fand das Gericht.

Ein knappes Jahr nach seiner Kündigung ist der Lehrer H. wieder zurück in der Berufsschule. Er darf dort seinen "anschaulichen" Unterricht - so hat das Wiener Arbeits- und Sozialgericht seine Methoden bewertet - wieder aufnehmen. Dazu hat gehört, den Schülern den Mittelfinger zu zeigen.

Von der Organisation Jugend am Werk betreute Lehrlinge hatten sich über den Lehrer beschwert. Er habe ihnen prophezeit, dass ohnehin bloß Zuhälter oder Drogendealer aus ihnen würden und sie ins Gefängnis kämen. Die Ausbildung bei Jugend am Werk, die er selbst genossen habe, sei nämlich "Scheiße". Und er habe propagiert, Frauen zu schlagen, wenn sie nicht folgen; er mache das bei seiner eigenen Frau auch so. Der ihnen häufig entgegengestreckte Stinkefinger sei das Tüpfelchen auf dem i gewesen, beklagten die Schüler. Eine Sozialarbeiterin gab die Beschwerden der Schüler von zwei verschiedenen Klassen weiter, der Stadtschulrat ließ sie Fragebögen ausfüllen und sprach schließlich die Kündigung des Lehrers aus. H. kämpfte dagegen gerichtlich an, mit Erfolg. Das Gericht fand keine Kündigungsgründe und erklärte das Dienstverhältnis für weiterhin aufrecht.

In der Urteilsbegründung steht, der Lehrer habe sich der Sprache seiner Schüler angepasst und nur den Unterrichtsstoff verdeutlichen wollen. Mit dem gestreckten Mittelfinger habe er den Unterschied zwischen Edelgasen klarmachen wollen.

Gern haben

Zitat aus dem Urteil: "Dabei schlug er mit einer Hand auf den Oberarm des anderen Arms oder zeigte den Mittelfinger und erklärte den Schülern, dass Edelgase keine Verbindung eingehen und sagen würden: 'Ihr könnt's mich gern haben.'" Das sei keineswegs beleidigend, sondern vielmehr als "Pointe", als "Auflockerung" gemeint gewesen.
Und seine Einstellung gegenüber Frauen? Der Lehrer habe seine Schüler provozieren und sie damit zum Nachdenken anregen wollen.

Und das Heruntermachen von Jugend am Werk? Er habe sie damit anspornen wollen, sich mehr anzustrengen. Und die aufgezeigten Zukunftsaussichten (Zuhälter, Dealer)? Er habe nur gesagt, "sie sollten keine alten Omas überfallen". Lebendig sei sein Unterricht gewesen, engagiert sei Lehrer H. gewesen, viel Spaß habe man mit ihm gehabt: Das sagten vor allem Schüler aus anderen Klassen, in denen keine von Jugend am Werk betreuten Jugendlichen sitzen, als Zeugen aus.

Das Gericht musste zugeben, dass die Art des Unterrichts "besonders drastisch" ist, doch konnte es "keine gröbliche Dienstpflichtverletzung" erkennen. Der Stadtschulrat geht zwar in Berufung, kann aber nicht verhindern, dass H. auch wieder seine alten Klassen übernimmt. "Glücklich sind wir darüber nicht, aber es wird sich nicht vermeiden lassen", sagt Berufsschulinspektor Friedrich Hainz zum KURIER. Und die Schüler? "Die denken sich, man beschwert sich besser nicht", sagt Wolfgang Bamberg von Jugend am Werk.

Reaktion: "Sie trauten sich, und jetzt kommt er zurück"

Die Organisation Jugend am Werk vermittelt Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die auf dem üblichen Weg keine Lehrstelle finden, eine überbetriebliche Berufsausbildung. Unterricht bekommen sie in der Berufsschule.

"Der Lehrer hat sich abschätzig über Frauen geäußert", sagt Wolfgang Bamberg: "Und er hat unseren Jugendlichen gesagt, sie seien zu blöd für irgendwas. Sie haben sich getraut und das aufgezeigt, und jetzt kommt dieser Lehrer zurück."

Laut Direktor ist das nicht der erste Vorfall gewesen, es habe schon früher Beschwerden gegeben. Doch das wurde offenbar nicht dokumentiert. "Die Lehrlinge verstehen nicht, wie man so was ohne Konsequenzen sagen darf", berichtet Bamberg: Zwar sei der Umgangston in diesen Berufen rauer, "aber es gibt überall Grundregeln."

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