Kein Pflegeplatz für 101-Jährige

Kein Pflegeplatz für 101-Jährige
Bis vor Kurzem lebte eine 101-jährige Steirerin alleine. Jetzt braucht sie Hilfe. In ihrem Ort gibt es aber keinen Platz für sie.

Creszentia Egger schaut die Fotos an, die ihre Tochter auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet hat. Schwarz-weiß sind sie, teilweise schon vergilbt, auch ein bisschen zerknittert. "Mei, die Mizzl und ich. Da war ma auf den Weg in den Kindergarten ..."
Egger ist 101 Jahre alt. "101 und ein halbes", korrigiert ihre Tochter Elfriede Hermes lächelnd. Bis vor Kurzem lebte die alte Dame alleine in ihrer Wohnung in Mautern in der Obersteiermark. Jetzt geht das nicht mehr. "Kein Wunder", sagt Hermes, "ich meine, sie ist 101 und ein halbes."

In Mautern gibt es jedoch ein Landespflegeheim. "Da sollte man meinen, dass eine 101-Jährige aus dem Ort dort unterkommt", sagt Hermes. "Aber nein!"
Es gibt tatsächlich keinen Platz, bestätigt Bürgermeister Andreas Kühberger. "Der Pflegeschlüssel hat nicht gepasst, es ist zu wenig Personal da, um neue Leute aufzunehmen. Leider."
Hermes, die selbst in Deutschland lebt, ließ das so nicht stehen. "So was macht mich richtig wütend."
Doch im Büro von Spitalslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) bedauert man: "Es war leider kein Bett frei, die Anzahl ist begrenzt. Das hängt mit dem Personalschlüssel zusammen."
Man habe einen Platz im Bezirk angeboten, doch den habe die alte Dame nicht gewünscht.

Heimpflege

Kein Pflegeplatz für 101-Jährige

Also musste eine andere Lösung gefunden werden. Seit Montag kümmert sich Frau Darina um Egger. Die slowakische Pflegerin wohnt bei ihre Klientin, schläft im früheren Kinderzimmer, ist Tag und Nacht für sie da. Die Sprachbarriere ist noch eine kleine Hürde, aber Frau Darina lernt eifrig Deutsch und "die Mutter muss halt Hochdeutsch sprechen", sagt Hermes, die selbst aus deutschem Akzent nahtlos ins Steirische wechselt, wenn sie mit der Mutter redet, und schmunzelt.

Frau Darina hilft Egger beim Anziehen der Winterjacke. Auf dem Balkon mit Aussicht auf die Berge ist die Seniorin gerne. Hinuntergehen vom ersten Stock ist schon etwas zu beschwerlich, aber es kommt vor. "Mitfahren im Auto tut die Mutter so gerne, stundenlang", schildert Hermes. "Und essen gehen."

Egger sorgt sich beim KURIER-Besuch indes um die Gäste. "Sitzen S' eh bequem?" Dann erzählt sie ein bisschen aus ihrem Leben: Fünf eigene Kinder hat sie großgezogen, daneben noch Kinder von Verwandten. Die älteste Tochter ist 84 und lebt in Großbritannien, es gibt elf Enkel, zehn Urenkel und ein Ururenkerl.

Rotwein und ein Korn

Hausfrau sei sie, lange schon Witwe eines Eisenbahners. "Es tut mir halt schiach, dass ich nimmer handarbeiten kann. Das hab' ich so gern g'macht." Der rechte Arm spielt nicht mehr mit. Aber den Musikantenstadl und die Millionenshow schaue sie gerne im Fernsehen, ein "Glaserl Rotwein" schätzt sie auch sehr. "Und dazu ein Körnchen", wirft Hermes ein und meint ein Schnapserl. "Und die Zeitung liest sie jeden Tag. Von hinten, um zu schauen, wer gestorben ist."
Auf Reisen war Creszentia Egger gerne und oft, doch dauernd weg aus Mautern? Niemals. "Alte kannst ja net so viel herumschieben."

Elfriede Hermes hat es doch probiert und die Mutter mit in das rund 700 Kilometer entfernte Solingen genommen. "Aber nach einem dreiviertel Jahr sind wir wieder zurück, sie wollte nicht mehr", sagt Hermes. "Sie hat gesagt, sie will nach Mautern. Hier ist sie geboren, hier hat sie gelebt und hier will sie sterben."

Statistik: 1066 (über)100-Jährige
Hohes Alter
Die Österreicher werden immer älter, auch in dem an sich sehr schmalen Segment der 100-Jährigen oder gar noch Älteren: Die Statistik Austria weist im laufenden Jahr 1066 Einwohner aus, die 100 Jahre alt sind oder älter. Ihr Anteil an der Bevölkerung ist gestiegen: 2002 gab es nur 644 Menschen, die den 100. Geburtstag bereits hinter sich hatten.

Mehr Frauen
In dieser Altersgruppe sind Frauen wesentlich stärker vertreten als Männer: Von den 1066 mehr als 100-Jährigen sind 888 weiblich, also rund 83 Prozent. Nach Bundesländern betrachtet leben die meisten sehr alten Menschen in Niederösterreich (184), gefolgt von der Steiermark (154) und Oberösterreich (131).

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