Katholisches Malta sagt Ja zur Scheidung

Katholisches Malta sagt Ja zur Scheidung
Die Mittelmeerinsel hat heute ihr parlamentarisches Jawort für die Legalisierung der Scheidung gegeben.

Jeffrey Pullicino Orlando lebt von seiner Frau getrennt. Er ist 47 Jahre alt und möchte es noch einmal versuchen. Zumindest will er die Chance auf eine zweite Ehe haben. Bis dato ein Ding der Unmöglichkeit: Denn im streng katholischen Malta ist den Bürgern das Recht auf Scheidung strikt verwehrt.
Orlando, selber Christ und Abgeordneter der katholisch-konservativen Regierungspartei Partit Nazzjonalista, wollte das ändern und hat im Herbst im Parlament einen Antrag eingebracht, der im Rest Europas überflüssig wäre: Er wollte das Recht auf Ehescheidung.

Malta, die Philippinen, Andorra und der Vatikanstaat - das waren bis heute die einzigen Länder weltweit, in denen die Scheidung verboten ist. Noch. Denn heute stimmte das maltesische Parlament für den Antrag Orlandos, über den es Ende Mai eine Volksabstimmung gegeben hat. Damals hatten sich 53 Prozent der Malteser für das Gesetz ausgesprochen. Heute waren es 52 Abgeordnete (elf Gegenstimmen).

Übermächtig

Sogar für Deborah Schembri war die klare Mehrheit beim Referendum eine Überraschung. Schembri ist Anwältin für Familienrecht und die bekannteste Verfechterin des Rechtes auf Scheidung. Nachdem sie in einer Fernsehsendung aufgetreten war, um das neue Gesetz zu erklären, wurde sie zum Gesicht der "Ja"-Kampagne. Seither kämpfte sie gegen die in Malta übermächtige katholische Kirche und für die Rechte jener Menschen, die getrennt von ihren Ehepartnern leben.

"14.500 Stimmen Unterschied, das gleicht einem Erdrutschsieg", sagt Schembri zum KURIER. 400.000 Menschen leben auf der Insel, 95 Prozent davon sind streng katholisch. Die Kirchen sind am Sonntag voll. "Nicht einmal die Anhänger der Scheidung glaubten an so eine große Mehrheit."

Der Druck der Kirche auf die Wähler war enorm. In Predigten warnten Priester: "Jesus schaut zu, wenn ihr in die Wahlkabine geht." Und dass es eine "Todsünde" sei, mit Ja zu stimmen. Prozessionen wurden zu Propagandamärschen, Predigten zu Drohungen.
Bis jetzt konnte man eine Ehe nur annullieren lassen, wenn der Partner etwa psychische Störungen hat oder drogensüchtig ist. Ein kompliziertes Verfahren, das bis zu 14 Jahre dauern kann. Dennoch gab es jährlich mehr als 150 Eheannullierungen.
"Die Kirche ist eine massive Kraft in Malta", sagt Schembri. "Die Leute fragten gar nach Absolution bei ihren Priestern, damit sie Ja stimmen könnten. Doch die haben das nicht erlaubt."
Das sei eine altmodische Einstellung, meint die Katholikin. Für Orlando nimmt die Kirche immer noch eine sehr wichtige Rolle in der Gesellschaft ein: "Sie sollte die Chance haben, ihre gute Arbeit weiterzuführen. Aber man sollte Religion und Politik nicht verwechseln."

Kinderrechte

Die Generalsekretärin der oppositionellen Labourpartei, Lydia Abela, weiß, dass Kinder die wahren Leidtragenden sind: "Manche Ehen zerbrechen, gleichzeitig entstehen neue Familien und die Opfer sind die Kinder dieser Familien - ohne legale Grundlage."

"Das Scheidungsverbot behindert Menschen dabei, ihr Leben neu zu ordnen", sagt Orlando dem KURIER. Sicher sei dabei: "Die meisten, die sich scheiden lassen, verzichten nicht auf eine neue Partnerschaft." Das habe sogar der streng katholische Premier Lawrence Gonzi akzeptiert, der trotzdem partout nicht für die Scheidung stimmen wollte: Er hätte sich nur dazu bereit erklärt, die Rechte nicht ehelicher Lebensgemeinschaften auszuweiten.

Heute stimmte er demonstrativ noch einmal dagegen. Die wenigsten seiner Partei-Kollegen taten es ihm gleich. Auch sie haben erkannt: 24 Prozent der Ehen auf Malta zerbrechen. In Irland, wo die Scheidung seit 1995 erlaubt ist, landen pro 10.000 Einwohnern nur sieben Ehen vor dem Richter. (In Österreich sind es 21.) Am Gesetz der Iren orientiert sich das maltesische, das am 1. Oktober in Kraft tritt.

Auch dann wird eine Scheidung auf Malta nicht einfach sein. Erst wenn Eheleute vier Jahre getrennt gelebt haben und keine Aussicht auf Versöhnung besteht, wird der Bund gelöst. Wegen der vielen "Altlasten" dürfte der Run auf die Ämtern groß sein.

Kommentare