Karl-Vorschlag: "Anfüttern" bis 100 Euro erlaubt

Karl-Vorschlag: "Anfüttern" bis 100 Euro erlaubt
Ihr Plan, dass sich Klein-Korruptionisten freikaufen dürfen, scheiterte. Jetzt muss sie Nehmern in der Politik glaubwürdig den Kampf ansagen.

Monatelang hört man wenig von ihr, dann geht sie in die Offensive – und scheitert: Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) musste diese Woche ihren Plan, die Diversion (Geldbuße statt Strafverfahren) auf Korruptionsfälle auszuweiten, ganz schnell wieder ad acta legen. In Justizkreisen hatte es einen regelrechten Aufstand gegeben, von einem „Super-GAU“ für die Rechtssprechung war die Rede.

Dabei will die Ministerin nichts mehr als Ruhe und wieder mehr Ansehen in der Öffentlichkeit für die Justiz. Sie habe „die Außenwirkung dieser Maßnahme völlig falsch eingeschätzt“, sagt Karl im Gespräch mit dem KURIER zu ihrem politischen Super-GAU. Dennoch ist sie überzeugt davon, dass ihr Vorhaben richtig war. Die Staatsanwälte bräuchten mehr Zeit für die komplizierten Korruptionsfälle – und sollten von den kleinen Amtsmissbrauchsfällen entlastet werden.

Die Außenwirkung von Karls Plan war tatsächlich fatal: Fast täglich werden neue Korruptionsfälle aufgedeckt, aber die Justizministerin will, dass korrupte Beamte künftig nicht mehr bestraft werden, sondern nur (Geld)-Buße leisten müssen.

Fehlendes Gespür

Da fehle ihr das politische Gespür, hört man immer öfter – auch aus der ÖVP. Dennoch ist ein neuerlicher Ministerwechsel noch kein Thema. Nach dem Reinfall mit Claudia Bandion-Ortner will die Partei Diskussionen über die Justizministerin tunlichst vermeiden. Karl selbst sagt, dass „Politik und Justiz nicht leicht unter einen Hut zu bringen sind“.

Bei den Justizsprechern der anderen Parteien hatte Karl so etwas wie einen Startvorteil, weil diese mit Bandion-Ortner gar so unzufrieden waren. Nach dem Diversions-Desaster ist alles anders: „Fehlende Sensibilität“ attestiert ihr der Grüne Albert Steinhauser. Sie habe „sehr wenig Instinkt bewiesen“, sagt Peter Fichtenbauer (FPÖ). Auch der Koalitionspartner ist irritiert. Das sei „nicht wahnsinnig realitätsnah“ gewesen, meint Hannes Jarolim. Der SPÖ-Justizsprecher ortet eine Veränderung bei Karl. „In letzter Zeit werden wir bei wesentlichen Vorhaben nicht mehr einbezogen.“ Auch beim Korruptionsstrafrecht hätte sich Jarolim Gespräche im Vorfeld gewünscht.

Das Kommunikationsproblem mag auch daran liegen, dass der Druck auf Karl wächst, endlich die anstehenden Probleme zu lösen. Dazu gehört in erster Linie ein glaubwürdiger Kampf gegen die Korruption. Der Mangel an Staatsanwälten macht Schwierigkeiten und führt auch zur viel kritisierten langen Dauer von heiklen Verfahren wie die Causa Grasser.

Die Opposition wirft Karl Untätigkeit vor: Sie sei bisher „justizpolitisch auf Tauchstation“ gewesen, sagt Steinhauser. Die Ministerin habe versucht, „die Auseinandersetzung über die Justiz in der Deckung abzuwarten“, meint Fichtenbauer. Karl weist die Vorwürfe zurück. Es sei viel weiter gegangen, betont sie – und nennt das Gewaltschutz-Paket für Kinder und das neue Gesellschaftsrecht.

Zielstrebig

Normalerweise zieht die 44-jährige Steirerin durch, was sie sich vorgenommen hat. Ehemalige Mitarbeiter beschreiben sie als genau, zielstrebig und durchsetzungsfähig. Sie war österreichweit die zweite Frau, die in Arbeits- und Sozialrecht habilitierte. Steil verlief auch ihre politische Karriere. 2006 zog sie in den Nationalrat ein, 2009 wurde sie ÖAAB-Generalsekretärin, Anfang 2010 Wissenschaftsministerin. Dass sie Präferenzen für die Gesamtschule erkennen ließ, brachte ihr einen Rüffel der ÖVP-Spitze ein. Schon damals wurde der Vorwurf laut, sie denke zu wenig politisch.

Im April 2011 wechselte sie – nicht ganz freiwillig – ins Justizministerium. „Das war nicht einfach, sich nach nur 14 Monaten wieder in eine ganz neue Materie einzuarbeiten“, sagt sie heute. Aber sie bereue den Wechsel nicht. Die Justiz sei „sehr spannend“. Ihre jüngste Niederlage spielt die Ministerin entsprechend herunter: „Natürlich ist so eine Situation nicht lustig.“

Korruptionsstrafrecht: Geschenke werden strafbar

Justizministerin Beatrix Karl hat am Freitag ihren Vorschlag für ein neues Korruptionsstrafrecht dem Parlament übermittelt.

Anfüttern Amtsträger (Politiker oder Beamte) machen sich wieder strafbar, wenn sie Geschenke annehmen, auch wenn keine konkrete Gegenleistung vereinbart wird. Einladungen zum Kaffe oder zu einem einfachen Essen sollen weiterhin erlaubt sein, ebenso Einladungen zu Repräsentationszwecken. Als mögliche Bagatell-Grenze gelten 100 Euro.

Gesetzeslücken für Politiker fallen Für Abgeordnete war bisher nur strafbar, wenn sie ihre Stimme verkauften. Wenn sie aber gegen Bezahlung etwa Anfragen stellten, war das erlaubt. Minister konnten sogar für Gesetze Geld verlangen, wenn diese fachlich in Ordnung waren. Künftig soll Geschenkannahme in jedem Fall bestraft werden – auch wenn die Geschenke im Nachhinein kommen. Beispiel: Ein Bürgermeister erteilt eine ordnungsgemäße Baugenehmigung – und lässt sich später dafür zu einer Reise einladen.

Whistleblower Informanten können anonym Korruption melden.

Privatwirtschaft Die Strafen für Bestechung in der Privatwirtschaft werden erhöht.

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