Kairo: Chaos bei der ersten Parlamentssitzung
Mit Streitigkeiten über die Vereidigung der Abgeordneten hat am Montag die konstituierende Sitzung des ägyptischen Parlaments begonnen. Mehrere Abgeordnete wollten den Eid auf die Verfassung nicht mit der vorgeschriebenen Formel ablegen. Ein Islamist fügte einen Hinweis auf das islamische Recht ("Scharia") ein. Ein anderer Abgeordneter schwor auf die "Märtyrer der Revolution des 25. Jänner".
Das neue Parlament wird von den Islamisten dominiert. Geleitet wurde die erste Parlamentssitzung nach der Entmachtung von Präsident
Hosni Mubarak im vergangenen Februar vom Alterspräsidenten Mahmoud al-Saqa von der liberalen Wafd-Partei. Er rief die 508 Abgeordneten zu Beginn auf, der "Märtyrer der Revolution" zu gedenken, die im vergangenen Jahr während der Massenproteste gegen Mubarak getötet worden waren. Gleichzeitig lobte er die Rolle der Militärführung, die nach Mubaraks Rücktritt die Macht übernommen und eine Übergangsregierung eingesetzt hatte.
70 Prozent aus islamistischen Parteien
70 Prozent der Abgeordneten stammen aus den Reihen der islamistischen Parteien. Dabei entfallen etwa 47 Prozent auf die sogenannten moderaten
Islamisten der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (Muslimbrüder) und etwa 24 Prozent auf die radikalen Islamisten der Partei des Lichts ("Hizb al-Nour"). Nur rund zwei Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Zehn Abgeordnete gehören der christlichen Minderheit an, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Ein großes Aufgebot von Sicherheitskräften sicherte die Straßen rund um das Parlament. Das Parlamentsgebäude liegt in der Nähe des Tahrir-Platzes, wo die Gegner Mubaraks im vergangenen Jahr so lange demonstriert hatten, bis dieser seinen Rücktritt erklärte.
Es wurde erwartet, dass die Abgeordneten den Generalsekretär der Partei der Muslimbruderschaft, Mohamed Saad el-Katatni, zum Parlamentspräsidenten wählen würden. Als Stellvertreter des Parlamentspräsidenten sind zwei Abgeordnete von Hizb al-Nour und der schon zu Mubaraks Zeiten aktiven Wafd-Partei im Gespräch.
Das Parlament hat zunächst vor allem die Aufgabe, 100 Personen für die verfassungsgebende Versammlung auszuwählen. Für Juni ist die Wahl eines Staatspräsidenten geplant. Bis dahin soll die
Übergangsregierung des Militärs an der Macht bleiben.
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