Kältewelle: „Kein Grund, nicht ins Freie zu gehen“

Kältewelle: „Kein Grund, nicht ins Freie zu gehen“
Körperliche Anstrengungen sollte man zwar meiden: Aber wer mit Hausverstand hinausgeht, muss keine Folgen fürchten.

Minus 20 Grad in 2000 Meter Höhe: Das erwartet alle Skifahrer zu Beginn der ersten Semesterferienwoche. „Dabei kann die tatsächlich gefühlte Temperatur – durch den Wind-Chill-Effekt („Windkühleffekt“) – deutlich darunterliegen“, sagt der Sportmediziner und Lungenfacharzt Univ.-Prof. Paul Haber. „Von längerer anstrengender körperlicher Aktivität rate ich bei Temperaturen unter minus 20 Grad ab.“ Rot-Kreuz-Chefarzt Univ.-Prof. Wolfgang Schreiber: „Die Atemfrequenz sollte im Normalbereich bleiben.“

Wenn es windstill ist, bildet sich ein dünner Wärmefilm um unbedeckte Hautstellen. Diese hautnahe Luftschicht hat eine isolierende Wirkung: „Je stärker der Wind, umso schneller wird dieser Film weggeblasen“, so Haber. „Dadurch kühlt die Haut rascher aus – die Erfrierungsgefahr an exponierten Stellen wie der Nase steigt.“ Worauf man achten sollte:

Bronchien

„Skandinavische Skilangläufer trainieren bei bis zu minus 35 Grad. 80 Prozent leiden an asthma-ähnlichen Zuständen.“ Der Grund: Die extrem kalte Luft ist staubtrocken. In den Bronchien wird sie erwärmt – und entzieht dabei den Bronchialschleimhäuten die Feuchtigkeit. „Bereits im Ruhezustand atmen wir pro Minute sechs bis zehn Liter Luft aus.“ Bei starker Beanspruchung kann sich der Wert verzehnfachen: „Das erhöht aber auch den Flüssigkeitsverlust in den Schleimhäuten – und kann ein Belastungsasthma auslösen.“

Kreislauf „Bei Kälte verengen sich die Blutgefäße, um den Körperkern zu schützen“, sagt der Sportmediziner Univ.-Prof. Christian Gäbler. Bei extremen Minustemperaturen kann dies bei Untrainierten beim Sport „manchmal zu extremen Blutdrucksteigerungen und zu Herzproblemen führen“. – „Problematisch sind Ermüdung und Erschöpfung in Kombination mit Unterkühlung“, betont Haber. „Wenn man sich etwa als Langläufer übernommen hat und am Rückweg häufig Pausen machen muss.“ Das kann das Risiko für einen Kreislaufkollaps bis hin zum Herzinfarkt erhöhen.

„Bestehende Durchblutungsstörungen des Herzmuskels können unter extremer Kälte Angina-Pectoris-Symptome (starke Schmerzen und Engegefühl im Brustkorb, Anm.) auslösen“, sagt Schreiber.

Haut

„Bei dieser Kälte müssen unbedingt fetthaltige Cremes dick aufgetragen werden“, betont der Hautarzt Univ.-Prof. Andreas Steiner. Beim Kauf sollte man auf die Produktkennzeichnung W/O (Wasser-in-Öl-Emulsionen) achten, unterstreichen sowohl Steiner als auch Konrad Brunnhofer vom Verein für Konsumenteninformation: „Diese sind fettreicher als wasserreiche Sonnenmilchpräparate (O/W – Öl-in-Wasser-Emul-sionen).“ – „Letztere können auf der Haut gefrieren“, sagt Steiner. Auf keinen Fall dürfe man auf den UV-Schutz vergessen: „Und auch nicht auf den Lippenschutz.“

Kinder

„Es ist sicher nicht vernünftig, jetzt mit einem Zweieinhalbjährigen im Rückentragegestell eine Skitour zu unternehmen“, sagt Schreiber. Eltern, die den Kinderwagen schieben, empfinden beim Gehen die Minusgrade weniger dramatisch als das Baby im Wagen.

„Kinder gehören warm eingepackt und im Gesicht mit Kälteschutzcreme eingeschmiert“, betont der Kinderarzt Peter Voitl. „Wichtig ist auch, jetzt besonders auf Signale wie Müdigkeit zu achten – und zu kontrollieren, ob die Kleidung trocken ist.“

Ernährung

„Eiweißhältige Produkte – etwa Bohnen, Linsen, Fisch oder auch Fleisch – wärmen etwas besser“, sagt die Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky: „Bei der Eiweißverdauung wird ein etwas höherer Teil der Energie des Lebensmittels in Körperwärme umgesetzt als bei jener von Fetten und Kohlenhydraten.“ Ansonsten ist es aus Sicht der westlichen Ernährungslehre egal, „ob man einen Ingwer- oder Pfefferminztee“ trinkt. Von Alkohol raten Mediziner ab: Zwar wird die Gefäßerweiterung als wärmend empfunden, tatsächlich kühlt der Körper aber aus. – „Wobei ein guter Glühwein zwischendurch sicher besser ist als ein kaltes Bier“, sagt die TCM-Ärztin Sandra Lemp aus Graz.

Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin rät sie zu warmen, gekochten Speisen, zu saisonalen Gemüsesorten wie Kohl, Rüben oder Sellerie und zu wärmenden Gewürzen wie Fenchel, Gewürznelken, Ingwer, Kümmel oder Zimt. Kalte Milchprodukte und Rohkost sollte man derzeit eher meiden.

Flüssigkeitsbedarf

Kälte fördert die Urinproduktion, betont Schreiber. Gleichzeitig gibt man über die Atmung mehr Flüssigkeit ab. „Deshalb steigt in der Kälte der Flüssigkeitsbedarf.“

Wäre es jetzt nach all dem eigentlich besser, in der warmen Stube zu bleiben? Rot-Kreuz-Arzt Schreiber: „Nein. Kälte ist kein Grund, nicht hinauszugehen.“

Immer wieder: Kältewellen in Österreich

2012 „Insgesamt dürften wir bei dieser Kältewelle selbst in den Landeshauptstädten auf eine Serie von etwa fünf bis sieben Tagen am Stück kommen, an denen die Temperatur unter minus zehn Grad gesunken ist“, sagt Klimatologe Alexander Orlik, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. „Das kommt in Österreich im Schnitt alle fünf bis zehn Jahre vor.“

1996 An vielen Orten gab es 10 Tage in Folge Frühtemperaturen unter –10°, der Spitzenwert in Wien lag bei –18°.

1985 In Linz wurden bis zu –29° gemessen.

1956 Schlimmste Kältewelle der Nachkriegszeit. Innsbruck hatte 29 Tage in Folge unter –10°.

1929 In Zwettl wurde die bis heute gültige Rekordtemperatur von –36,6° gemessen.

 

 

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