Iran: Schmutziger Krieg gegen Atomexperten

Iran: Schmutziger Krieg gegen Atomexperten
Wieder fällt ein iranischer Wissenschaftler einem Anschlag zum Opfer. Teheran beschuldigt israelische Agenten.

Es geschah in der Nähe der Universität im Norden von Teheran: Laut Augenzeugen fuhr Mittwochfrüh ein Motorradfahrer an einen Wagen heran, befestigte eine Haftbombe unter dem Peugeot und raste davon. Bei der Explosion starben Mostafa Ahmadi Roshan und dessen Fahrer. Der 32-Jährige war Chemiker, Experte für die Trennung von Gasen, Universitätsprofessor und Abteilungsleiter der Urananreicherungsanlage in Natanz. „Die Bombe war magnetisch und vom gleichen Typ wie jene, die schon früher zur Ermordung von Wissenschaftlern verwendet wurde. Das ist ein Werk der Zionisten“, gab sich Teherans Vizegouverneur überzeugt. Israel reagierte nicht.

Aber es wird immer deutlicher, dass Gegner des Iran eine Strategie der kleinen, genau gezielten Schläge verfolgen, mit der sie seit Jahren die vermutete Entwicklung einer Atombombe verzögern. Erst vor wenigen Wochen hatte die Internationale Atombehörde erstmals den ausdrücklichen Vorwurf erhoben, Irans Wissenschaftler könnten an einer Nuklearwaffe bauen. Am Montag kam die Bestätigung der IAEO, dass nun auch die unterirdische Anreicherungsanlage in Fordo in Betrieb sei. Dort kann Uran auf 20 Prozent angereichert werden – genug zur Stromerzeugung, nicht für Atomwaffen.
Es gibt keinen offenen Krieg gegen Irans Atomprogramm, aber eine Anhäufung von Morden, merkwürdigen Explosionen und Todesfälle, die sich nicht mehr unter den persischen Teppich kehren lassen.

Gerüchteküche

Ende November kam es zu einem Unglück in einer militärischen Einrichtung in Isfahan. „Nicht das Werk von Geheimdiensten, weder der USA noch Israels“, hieß es damals in Teheran. Inoffiziell kochte aber die Gerüchteküche über, wobei neben CIA und Mossad auch der britische MI6 erwähnt wurde. Anfang November war die gewaltige Explosion in einer Raketenbasis noch im 40 Kilometer entfernten Teheran zu hören. Acht Angehörige der Revolutionären Garden wurden getötet, darunter General Hassan Tahrani Mukadam, der Chef der iranischen Raketen-Projekte. „Sein Tod war wichtiger als der Sachschaden“, lautete das Fazit der israelischen Zeitung Maariv.

Mukadam war für Raketen verantwortlich, die US-Stützpunkte in Nahost und Europa bedrohen. Seine Raketen lagern auch in den Kellern der libanesischen Hisbollah und der Hamas im Gazastreifen. Seit 2010 wurden bereits drei iranische Wissenschaftler bei Autobombenanschlägen getötet. So wurde im Juli der 35-jährige Elektronik-Experte Daryoush Rezaei vor dem Kindergarten seiner Tochter von Attentätern auf einem Motorrad getötet. Kurz zuvor waren sechs iranische Atomwissenschaftler bei einem Flugzeugabsturz in Russland umgekommen.

Weiße Fahnenflucht

All das zeigt Wirkung: Die Bereitschaft iranischer Wissenschaftler zur Mitarbeit in staatlichen Atomanlagen sinkt. „Weiße Fahnenflucht“, nennt das Meir Dagan, Ex-Chef von Israels Auslandsgeheimdienst Mossad. Als 2006 russische Experten am Bau eines zivilen iranischen Atomkraftwerks beteiligt waren, kam die Arbeit nur langsam voran – selbst nach altem Sowjet-Standard zu langsam. Auch nach ihrer Abreise zeigte sich die von ihnen erbaute Anlage als „auffallend“ störanfällig. Wortwörtlich „der Wurm drin“ war im Juni 2010, als unbekannte Computerviren in den Steuerprogrammen iranischer Anlagen wüteten. Trotz höchster Vorsichtsmaßnahmen. Ein Armeegeneral sprach offen von Sabotage und beschuldigte die deutsche Firma Siemens: „Sie hat die Feinde mit Informationen über den Code der Software versorgt.“

Sabotage

Die Weltmedien richten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf filmreife Sabotageakte. Nicht weniger hinderlich sind aber die Folgen wirtschaftlicher Sanktionen. Obwohl sie noch erweitert werden könnten, verzögern sie schon jetzt spürbar das iranische Atomprogramm. So muss der Staat, der über elf Prozent der Weltölreserven verfügt, fast die Hälfte seines Benzins importieren. Dafür und für anfällige Subventionen des Verbraucherpreises muss die Regierung mehr als zehn Prozent des Budgets aufwenden. Als die Subventionen sanken und die Preise stiegen, brachen Unruhen aus. Kein Großkonzern ist derzeit bereit, Raffinerien an den Iran zu liefern. Auch neue Anlagen für die Ölförderung kommen nicht mehr. 2015 könnte es zu einem technischen Kollaps der Förderung kommen. Auch die Banken-Sanktionen machen dem Iran das Leben schwer. Der Geheimkrieg wirkt sich auch psychologisch aus: 2007 meldete Irans Armee die Festnahme Dutzender Eichhörnchen – angeblich mit modernsten Spionage-Chips aus Israel ausgerüstet. Wahn oder Wirklichkeit?

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