Zeugentod im Mensdorff-Prozess

Zeugentod im Mensdorff-Prozess
Waffenlobbyist Mensdorff-Pouilly hat beim am Mittwoch startenden Prozess gute Karten.

Sie geben einander im Grauen Haus fast die Türklinken in die Hand. Kommenden Mittwoch macht Ernst Strasser den Platz auf der Anklagebank des Großen Schwurgerichtssaales vorläufig für Alfons Mensdorff-Pouilly frei. Wobei der (Waffen-)Lobbyist mit besseren Karten als sein einstiger Jagdgast Strasser in seinen Prozess geht.

Das hängt damit zusammen, dass Tote und Verschollene seinen Weg säumen. Tote und verschollene Zeugen, von denen Staatsanwalt Michael Radasztics gerne belastende Aussagen über den der Geldwäsche und Falschaussage beschuldigten Mensdorff gehört hätte.

Der Angeklagte Freunde rufen ihn „Graf Ali“, er selbst nennt sich einen „kleinen Bauern aus dem Südburgenland“, britische Geschäftspartner sagten abfällig über ihn: „Nur irgend so ein österreichischer Aristokrat“. Da haben sie Alfons Eduard Alexander Antonius Maria Andreas Hubertus Christoph (Graf von) Mensdorff-Pouilly gehörig unterschätzt (siehe unten).

In den 1990er-Jahren kreuzten sich die Wege Mensdorffs und des sagenhaft reichen Briten James Landon, der beste Kontakte zum multinationalen Rüstungskonzern BAE (vormals British Aerospace) hatte. Er war Geheimagent, hatte einen Staatsstreich für den Sultan vom Oman organisiert und war dafür reichlich belohnt worden. Als Ehemann von Mensdorffs Cousine brachte er diesen mit den Leuten von BAE zusammen. Der Lobbyist fädelte fortan rund um den Erdball Waffendeals ein.

Die Anklage

Der Staatsanwalt schreibt im Strafantrag, die BAE-Manager hätten eine kriminelle Organisation mit dem Zweck gebildet, Beamte in Europa zu bestechen, um Waffengeschäfte zu erlangen. Mensdorff soll 12,6 Millionen Euro von BAE als Schmiergeld verteilt und den Transfer verschleiert haben – Geldwäsche also. Der Ankläger zitiert einen Bericht Mensdorffs an seinen Auftraggeber, in dem von „aggressiver Zahlung von Erfolgsprämien an Entscheidungsträger“ die Rede ist.

Um den Geldflüssen einen legalen Anstrich zu geben, gründete Mensdorff ein Firmengeflecht bis zu den Virgin Islands. Den pensionierten Luftwaffenchef Brigadier Josef Bernecker ließ er aus dem Internet harmlose Artikel sammeln. Diese wurden hochtrabend als wertvolle „Berichte“ an BAE geschickt, wofür Berater Mensdorff Millionenbeträge überwiesen bekam. Bernecker wurde mit 300 Euro im Monat abgespeist, kann aber nicht mehr aussagen.

Der Prozess

Wenn Mensdorff am Mittwoch vor Richter Stefan Apostol tritt, hat er einige Pluspunkte in der Tasche: Einen davon hat Apostol persönlich ausgeteilt. Der Staatsanwalt wollte die Hand auf das Schloss des Angeklagten in Luising legen, um im Fall einer Verurteilung das Vermögen abschöpfen zu können.

Apostol wies den Antrag mit der Begründung ab, aus dem Strafantrag lasse sich das Delikt Geldwäsche noch nicht ableiten. Anders gesagt: Die Suppe ist dünn, vielleicht lässt sie sich im Prozess auffetten. Das Oberlandesgericht will bis Prozessbeginn über den Einspruch des Anklägers entscheiden.

Zweiter Pluspunkt für Mensdorff, auf dem sein Verteidiger Harald Schuster genüsslich herumreiten wird: Nach der U-Haft in Wien wurde der Lobbyist 2010 in London abermals verhaftet. Der Deal zwischen der britischen sowie der amerikanischen Justiz mit dem Rüstungskonzern BAE, gegen den sie wegen Korruption ermittelt hatten, brachte Mensdorff die Freiheit. BAE zahlte läppische 350 Millionen Euro Buße, dafür wurde das Verfahren eingestellt. Der Burgenländer bekam aus London sogar noch 400.000 Euro Haftentschädigung, glaubt sich damit reingewaschen, was die österreichische Anklagebehörde aber anders sieht. Drittes „Goody“ für „Graf Ali“: die Toten und die Unauffindbaren.

Die Zeugen

BAE-Kontaktmann und Mensdorff-Vermittler James Landon starb 2007 an Lungenkrebs. Sein Vermögensberater Mark Cliff packte laut Profil bei der britischen Antikorruptionsbehörde SFO über Schmiergelder aus, die von BAE über Mensdorff gelaufen und von diesem „kostümiert“ worden seien. Cliff ist zwar nicht tot, aber im Oman verschollen und als Zeuge nicht greifbar. Richter Apostol hat „keine ladungsfähige Adresse“.

Ein Wiener Finanzfachmann, der von Mensdorff 4,6 Millionen Euro bekommen haben soll, starb an Herzinfarkt. Der Internet-Artikelsammler Brigadier Bernecker stand schon auf der Zeugenliste, als die Justiz dahinter kam, dass auch er vor einem Jahr gestorben ist.

Und von den als Zeugen beantragten BAE-Managern in London hat Richter Apostol bis jetzt lediglich eine Zusage zur Befragung mit Video-Konferenz. Dass die anderen, als „kriminelle Organisation“ Titulierten, anreisen, darf bezweifelt werden.

Er soll geweint haben. Wie der sprichwörtliche Schlosshund, erzählt man im Grauen Haus, soll Alfons Mensdorff-Pouilly geheult haben, als er im Februar 2009 wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage fünf Wochen im Wiener Landesgericht einsitzen musste. Das passt so gar nicht zu den Interviews, die der stattliche Herr – er misst 1,96 m – nach seinem Zellen-Aufenthalt im Fernsehen gegeben hat. Er habe im Häf’n prächtig geschlafen, den depressiven Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner beim Schachspiel aufgeheitert, erzählte Mensdorff, der in Wiener Kreisen ob seiner launigen Art nach wie vor durchaus wohlgelitten ist.

Aber Widersprüche gehören offenbar genauso zum Leben des 59-jährigen Land-Adeligen wie seine Frau Maria Rauch-Kallat, die Jagden oder seine Schlösser. Am Anfang seiner beruflichen Karriere schien es alles andere als sicher, dass sich Herr Mensdorff einmal ein Gut im fernen Schottland würde leisten können.

1980 übernahm der erst 27-Jährige den Besitz seines Vaters im Südburgenland, und die Erträge waren eher überschaubar: Nicht anders ist zu erklären, dass der junge Mensdorff-Pouilly als Einkäufer für den steirischen Hendl-Fabrikanten Fehringer jobbte und zudem versuchte, Inzersdorfer Wildpastete und Wildschweinsuppe in Dosen zu packen – ein Unterfangen, dem mäßiger Erfolg beschieden war.

Weitaus besser lief es, als er 1988 seine MPA-Handels GmbH gründete, und das hat vornehmlich mit einem Briten namens James Landon zu tun. Der Abenteurer brachte Mensdorff-Pouilly in Kontakt mit dem Rüstungskonzern British Aerospace (siehe Artikel oben) – und von da an liefen die Geschäfte prächtig.

Ein paar Jahre später sollte „Ali“ bei einer Speckjause in seinem Luisinger Schloss die damalige Umweltministerin Maria Rauch-Kallat kennenlernen, die dort Feuchtbiotope besichtigte. Im Dezember gab’s Verlobung, und die Luisinger, die von dem leutseligen Grafen angetan waren, weil er sogar dem Pfarrer anbot, er könne seine Wäsche im Schloss reinigen lassen, nannten die zugereiste Wienerin bald ihre „Gräfin“. Rauch-Kallat war es, die das Raubein (Mensdorff nennt seine Frau in der Öffentlichkeit bisweilen „Alte“) schließlich in die Wiener ÖVP-Kreise und die Society brachte. So kam es, dass Mensdorffs Jagden zu Events wurden, an denen sich höchste Mitarbeiter von Ministerien und Manager delektierten. Besondere Gäste lud Mensdorff in sein schottisches Dalnaglar Castle. Telekom-Vorstände, ÖVP-Bundesräte, sie alle waren im Jet – und flogen, rein offiziell, bloß zu einem interessanten „Medienseminar“.

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