Zankapfel "Reichensteuer"

Schratzenstaller: „Grund- und Erbschaftssteuern sind die gängigen EU-Vermögensbesteuerungen“
Warum im Steuerstreit weder SPÖ noch ÖVP völlig Recht haben.

Österreich schröpft die arbeitende Bevölkerung und schont die Reichen – also her mit der Kohle! Ist es tatsächlich so einfach, wie sich die SPÖ das vorstellt?

Oder wird schon genug umverteilt und jede weitere Besteuerung von Vermögen wäre der Untergang des Abendlandes, wie die ÖVP behauptet?

Faktum ist, dass die steuerliche Belastung jedes zusätzlich verdienten Euro für einen Durchschnittsverdiener mit 49,1 Prozent die dritthöchste in Europa ist. Faktum ist weiters, dass Österreich bei vermögensbezogenen Steuern an drittletzter Stelle steht.

Dennoch ist eine Besteuerung von Vermögenssubstanz, wie sie die SPÖ will, ein fragwürdiges Vorhaben.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Finanzvermögen kann leicht legal ins Ausland transferiert und der Steuer entzogen werden. "Auch das Bankgeheimnis dürfte die effektive Besteuerung der Finanzvermögen erheblich erschweren", sagt Margit Schratzenstaller, Expertin des Wirtschaftsforschungsinstituts. Folge: Schaden durch Abwanderung, wenig Nutzen.

Betriebsvermögen zu besteuern, wie die SPÖ das will (nämlich die Betriebseigentümer zur Kasse zu bitten), ist investitionsfeindlich und standortschädigend. Bei der alten Vermögenssteuer, die von Ferdinand Lacina (SPÖ) in den 1990er-Jahren abgeschafft wurde, war das Problem, dass Betriebe, die keinen oder wenig Gewinn machten, ebenso zahlen mussten. Das belastete einen Betrieb in Schieflage zusätzlich. Diesmal, wendet die SPÖ ein, würde die Steuer an der Gewinnerwartung ausgerichtet. Es würden also Gewinne schon besteuert, bevor sie eingetreten sind. Viele Unternehmer würden sich das wohl nicht gefallen lassen, meint Ex-Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ): "Gut gehende Unternehmen würden abwandern, Verlustunternehmen bleiben." Es ist wohl kein Zufall, dass es nur in zwei EU-Ländern – in Frankreich und Spanien – eine Vermögenssubstanzsteuer gibt. "Die gängige Vermögensbesteuerung in der EU erfolgt über die Grundsteuer, die Grunderwerbssteuer und die Erbschaftssteuer", sagt Margit Schratzenstaller.

Die Grundsteuer ist in Österreich so niedrig wie in kaum einem anderen EU-Land. Eine Anhebung der Einheitswerte an die tatsächlichen Verkehrswerte könnte laut WIFO bis zu einer Milliarde bringen. "Man kann eine höhere Grundsteuer für Eigenheimbesitzer und Mieter sozial verträglich ausgestalten, das ist eine Angelegenheit der Politik", sagt Schratzen-staller. Eine Anhebung der Grundsteuer hätte den Vorteil, dass Immobilien, wie der Name schon sagt, nicht ins Ausland flüchten können.

Eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer könnte laut Expertenschätzungen um die 500 Millionen pro Jahr bringen, also ein Mehrfaches der alten Erbschaftssteuer. Dazu müssten allerdings einige Bedingungen erfüllt sein. Um die Erbschaftssteuer verfassungskonform zu gestalten, müsste man Immobilien höher bewerten, was allein schon für ein erhebliches Mehraufkommen sorgen würde (die alte Erbschaftssteuer wurde vom Höchstgericht wegen der Ungleichbehandlung von Kapital- und Immobilienvermögen gekippt). Zweitens müssten das private Finanzvermögen und die Stiftungen einbezogen werden. Eine Methode wäre ein "Erbschaftssteueräquivalent" einzuführen, also alle paar Jahrzehnte eine Vererbung zu simulieren und eine "Erbschaftssteuer" in Rechnung zu stellen. Schratzenstaller: "Erbschaftssteuern sind, weil nicht sehr hinterziehungsanfällig, recht leicht zu einzuheben."

Fazit: Weder nur mit Steuererhöhungen noch mit ausschließlich Einsparungen wird in Jahresfrist eine Steuersenkung von fünf Milliarden zu finanzieren sein. Sowohl SPÖ als auch ÖVP werden sich bewegen müssen.

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