De Maiziere: Attentäter von IS "angestachelt"

Deutscher Innenminister verortet Fall von "Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror".

Von Terror wollte in Würzburg gestern lange niemand reden. "Attacke", "Attentat", auch "politisch motiviert", das hörte man - auch vom bayerischen Innenminister Hermann. Einen Terroranschlag wollte man das Geschehen vom Montagabend jedoch partout nicht nennen.

"Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror"

Nun, an Tag zwei nach der Attacke, bei der vier Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, hat sich der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere zu Wort gemeldet und von einem "brutalen Akt wahlloser Gewalt" gesprochen. "Es ist vielleicht auch ein Fall, der im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror liegt." Bei Riaz A. habe es sich um einen Einzeltäter, der sich durch die Propaganda der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) "angestachelt gefühlt hat" gehandelt, sagte de Maiziere am Mittwochvormittag in Berlin.

"Video ist authentisch"

De Maiziere: Attentäter von IS "angestachelt"
Woher kommt der Attentäter von Würzburg?
Das am Dienstag veröffentlichte Bekennervideo enthalte jedoch keine Hinweise auf eine Anordnung des IS, sagte de Maiziere. Unklar sei, ob der Film vor oder nachdem Attentat von Nizza aufgenommen worden sei. "Jedenfalls ist das Video authentisch." Bei dem Film handele es sich um "ein klassisches Abschiedsvideo eines Selbstmordattentäters", sagte der Minister.

Der 17-jährige Flüchtling verletzte am Montagabend in einem Zug bei Würzburg mehrere Personen mit Axt und Messer - laut de Maiziere steht noch nicht bei allen Opfern fest, ob sie überleben werden.

Einreise über Österreich

Nach Deutschland eingereist dürfte der als Riaz A. identifizierte Junge im Vorjahr durch Österreich sein. Das sagte Innenministeriums-Sprecher Karl-Heinz Grundböck am Mittwoch zur APA und bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Der Jugendliche sei im Juni 2015 in Passau registriert worden, und es sei "davon auszugehen, dass davor eine geschleppte Durchreise durch Österreich erfolgt" sei, sagte Grundböck. "Nach aktuellem Stand beschränkt sich darauf der Bezug nach Österreich." Das Innenministerium stehe in Kontakt mit den deutschen Behörden.

Zweifel an Herkunft

Laut deutschen Medienberichten gibt es mittlerweile Zweifel an der Herkunft des Jugendlichen: Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass er aus Afghanistan stammte. In seinem Zimmer sei nun aber ein pakistanisches Dokument gefunden worden, berichtet das ZDF-"Morgenmagazin" und zitierte Sprachexperten, nach denen der 17-Jährige in dem mutmaßlichen Bekennervideo die Sprache Paschtu mit eindeutig pakistanischer Aussprache spreche.

De Maiziere bestätigte am Mittwoch zwar, dass es Zweifel der Ermittler gibt. Gegen die neue Vermutung, es könne sich doch eher um einen Pakistaner handeln, spreche aber, dass der Täter wenige Tage vor der Tat am Telefon vom Tod eines Bekannten aus Afghanistan erfahren habe, sagte de Maiziere. Seinen Erkenntnissen zufolge liege außerdem ein Antrag für eine Familienzusammenführung vor, der sich ebenfalls auf Afghanistan beziehe.

Warnungen vor Generalverdacht gegen Flüchtlinge

Der deutsche Innenminister schätzt die Terrorgefahr unabhängig vom Flüchtlingszuzug nach Deutschland hoch ein. Es gebe aber auch "Hinweise auf Bezüge zum internationalen Terrorismus" unter den Flüchtlingen, sagte er. "In den allermeisten Fällen haben sich die Hinweise als falsch dargestellt." Dennoch "kann man nicht sagen, es gibt zwischen Flüchtlingen und Terrorismus keinen Zusammenhang", sagte de Maiziere.

Im ZDF-"Morgenmagazin" hatten Flüchtlingshelfer und Betreuer vor einem Generalverdacht gegen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gewarnt. Eine Gefahr könne genauso gut von Menschen ausgehen, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen seien, sagte Niels Espenhorst vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (Bumf). Den Jugendlichen müsse vertraut werden.

Deutschland schütze sich nicht vor Terror, indem Misstrauen geschürt werde."Wir können nur davor warnen, jetzt die unbegleiteten Minderjährigen als Gruppe unter Terrorverdacht zu stellen", sagte zuvor auch der Bumf-Vorsitzende Tobias Klaus der Zeitung "Die Welt". Wichtig sei vielmehr jetzt, "unsere guten Betreuungsstandards wieder voll anzuwenden und nicht abzubauen", warnte Klaus im Hinblick auf entsprechende Bestrebungen der bayrischen Landesregierung. Die beste Prävention sei "gute Betreuung mit gut ausgebildeten Sozialarbeitern und Psychologen in kleinen Gruppen, die gefährliche Entwicklungen bei den Jugendlichen wahrnehmen und abmildern können".

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