Van der Bellen reagiert: "Bin kein Freund des Kopftuchs"
"Werden noch alle Frauen bitten müssen, Kopftuch zu tragen"
Vergleich mit Dänemark zur NS-Zeit
Van der Bellen: "Kein Freund des Kopftuchs"
Van der Bellen erwähnte auch eine Reise in der Schweiz, wo er auch die renommierte ETH-Universität Zürich besucht habe. Dort sei er "mindestens einer Professorin mit Kopftuch" begegnet. "Ich hoffe, dass niemand auf die Idee kommt, dass sie deswegen eine schlechte Wissenschafterin oder eine schlechte Professorin wäre", sagte er.
In dem Facebook-Kommentar unter dem ORF-Report-Interview wird die Aussage Van der Bellens in den dazu gehörenden Kontext gestellt. Demnach habe eine Schülerin in der Diskussion argumentiert, dass ihrer Meinung nach ein Kopftuchverbot Frauen auf ihr Äußeres reduziere, statt ihre Leistungen und Kompetenzen zu sehen und Kopftuch-tragende Frauen vom Arbeitsmarkt ausschließe.
Der Bundespräsident habe in der Diskussion daran erinnert, dass der Islam in Österreich seit über 100 Jahren eine anerkannte Religionsgemeinschaft sei. Er habe gleichzeitig aber betont, dass er sich nach IS-Terroranschlägen deutlichere Worte von Vertretern der islamischen Glaubensgemeinschaft wünschen würde, dass solche Verbrechen keinesfalls mit dem Islam gerechtfertigt werden dürfen, wurde in dem Posting auf das volle Statement Van der Bellens verwiesen.
"Es ist das verfassungsmäßige Recht der Mehrheit des Nationalrats, Neuwahlen zu beschließen. Ein solches Recht dem Nationalrat zu entziehen, da müssen schon sehr schwerwiegende Gründe vorliegen, die ich jetzt nicht sehe", erklärte Van der Bellen zu der von Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker losgetretenen Diskussion.
Zum nächsten Wahltermin meinte der Bundespräsident, dass es in der Regierung maßgebliche Stimmen gebe, die der Meinung seien, man sollte zum regulären Wahltermin im Herbst 2018 wählen, andere würden ins Treffen führen, dass dies wegen Österreichs EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 problematisch wäre. "Ich persönlich glaube, das ist schon ein Argument, das man ernst nehmen sollte, aber wahrscheinlich ist eine Neuwahl im Herbst 2018 auch möglich, trotz Ratspräsidentschaft."
Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Doppelstaatsbürgerschaften rät Van der Bellen zu Gelassenheit. "Ich sehe das große Problem nicht darin, dass jemand zwei Staatsbürgerschaften hat. Ich sehe nicht, was dem österreichischen Staat dadurch für ein Schaden entsteht", meinte Van der Bellen. Den SPÖ-ÖVP-Streit um das Flüchtlingsumverteilungsprogramm der EU und die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Italien nannte Van der Bellen im "Report" einen "kurzfristigen Ausrutscher" der Regierung, "der ja sofort wieder zurückgenommen worden ist".
Bei der von der ÖVP forcierten Kürzung bzw. Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder würde sich Van der Bellen wünschen, "es nicht auf die Spitze zu treiben" und eine entsprechende Regelung nur im Einklang mit Brüssel und nicht im Alleingang umzusetzen. Skeptisch zeigte sich das Staatsoberhaupt in punkto Einrichtung von Flüchtlingscamps in Afrika. "Ich habe bis jetzt noch keinen praktikablen Vorschlag gehört, wie man das umsetzen könnte. Ich glaube das ist alles unausgegoren." Van der Bellen plädiert dafür, mit solchen Vorschlägen nicht vorschnell an die Öffentlichkeit zu gehen.
Erleichterung nach Frankreich-Wahlgang
Erleichtert äußerte sich der Bundespräsident im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich. "In Frankreich bin ich optimistisch, dass (der pro-europäische Zentrumspolitiker Emmanuel) Macron als Vertreter einer pro-europäischen Haltung gewinnen wird." Van der Bellen sprach von einem positiven Trend in Europa, den man schon bei der Präsidentschaftswahl in Österreich beobachten konnte. "Wir sollten uns davon befreien, dass die europafeindlichen Strömungen in Europa zunehmen. Das ist vorbei."
Nein, er hat das so nicht gemeint.
Alexander Van der Bellen ist natürlich nicht der Meinung, dass alle Österreicherinnen irgendwann einmal gezwungen werden sollen oder müssen, ein Kopftuch zu tragen, um Solidarität mit den Musliminnen zu beweisen.
Das Problem ist nur: Mit etwas bösem Willen, fehlendem Verständnis - oder im schlimmsten aller Fälle beidem - konnte man das Staatsoberhaupt bzw. seinen im Netz für Missstimmung sorgenden Video-Mitschnitt durchaus so verstehen.
Nicht von ungefähr titelte der Boulevard ausnehmend flott "Kritik an VDB-Sager: Kopftuch für alle aus Solidarität".
Hat Alexander Van der Bellen nicht daran gedacht, dass man seine Aussage nur allzuleicht missverstehen kann?
Hat er derlei allenfalls sogar in Kauf genommen, um die Hardliner etwas aus der Reserve zu locken?
Beides wäre enttäuschend. Ausgerechnet Alexander Van der Bellen, der in der vielfach notorisch überhitzten Debatte um Kopftücher, Parallelgesellschaften und Integrationsprobleme gern zu Besonnenheit mahnt, hat mit seinem reichlich unbedarften "Kopftuch-Sager" exakt das Gegenteil erreicht.
(Christian Böhmer)
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