Busek: "Da kann die ÖVP ihr Begräbnis bestellen"

Der neue Wiener VP-Chef Blümel hat Verständnis für Buseks Warnung in Sachen Koalition mit der Fast-40-Prozent-Partei SPÖ: „Es wäre keine Partnerschaft auf Augenhöhe“
Ex-VP-Obmann Busek rät Neo-Parteichef Blümel dringend davon ab, mit SP zu koalieren.

Erhard Busek gilt als einer der schärfsten Kritiker seiner Partei, der ÖVP. Gernot Blümel gilt als Parteimanager neuen Typs, der den ÖVP-Karren nun aus dem Dreck ziehen soll. Beide verbindet, dass sie vom Posten des Generalsekretärs an die Spitze der Wiener Partei gewechselt sind.

Der KURIER lud sie zu einem Streitgespräch in eine Wiener Brasserie.

KURIER: Herr Busek, Sie sagten, dass sie mit dem Absturz der ÖVP bei der Wien-Wahl gerechnet haben. Herr Blümel, haben Sie das auch?

Gernot Blümel:Es war leider Gottes nicht ganz unerwartet, deshalb aber nicht weniger unerfreulich.

Aber sie waren doch Generalsekretär der ÖVP, haben Sie sich zu wenig darum gekümmert?

Blümel: Jede Landespartei führt einen eigenständigen Wahlkampf. Dort, wo wir unterstützen konnten, haben wir das auch gerne gemacht.

Erhard Busek: Ich hatte gewarnt, dass das so nicht erfolgreich sein kann – und habe sogar das Ergebnis vorausgesagt, worauf ich nicht stolz bin. Der Bundesparteiobmann hat versucht, eine Veränderung herbeizuführen, ist aber an Weigerungen gescheitert. Das hat in der Wiener ÖVP auch schon langsam Tradition.

Was soll jetzt anders werden?

Busek: "Da kann die ÖVP ihr Begräbnis bestellen"
Streitgespräch Gernot Blümel und Erhard Busek, Wien am 16.10.2015.
Blümel:Möglichst viel. Ich bin seit Montag Parteichef, wir haben am Donnerstag erstmals Gespräche über eine neue Koalition geführt. Uns geht es um Inhalte. Wenn einmal Klarheit herrscht, ob wir verhandeln, dann erst kommt der nächste Schritt. Aber klar ist, dass sich auch personell sehr viel ändern wird.

Busek:Ich habe tiefen Respekt, dass der Generalsekretär diesen Job übernommen hat. Das ist ein Himmelfahrtskommando. Und ja, man muss eigentlich alles anders machen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass auch die sieben Mandate, die die ÖVP noch hat, eigentlich zum Vergessen sind.

Finden Sie es gut, dass über eine Koalition verhandelt wird?

Busek:Wenn die Wiener ÖVP in die Regierung geht, kann sie gleich ihr Begräbnis bestellen. Mit einem Mandat Überhang in der Regierung ist das völlig aussichtslos, da ist nichts drinnen.

Blümel:Ich bin da emotionslos. Wenn es gute Ergebnisse gibt, die wir ehrlich vertreten können, dann können wir uns dafür entscheiden. Wenn das nicht der Fall ist, habe ich auch kein Problem mit der Oppositionsrolle.

Busek:Ich möchte dich bitten, nicht emotionslos zu sein. In der Politik muss man Emotionen haben, die Leute spüren, wenn man für etwas brennt. Es ist schön, wenn die Projekte stimmen. Aber man muss auch abschätzen können, ob man mit der SPÖ in der Lage ist, das zu realisieren. Denn mit deren traditionellen Verhalten der Machtokkupation ist nämlich nichts drinnen.

Blümel: Ich sehe die Gefahr. Die SPÖ ist vier Mal so stark wie wir und hat einen gut geölten Apparat. Es wäre keine Partnerschaft auf Augenhöhe, diese Illusion habe ich nicht.

Herr Busek, aber macht es nicht mehr Sinn, eine Koalition zu versuchen, um zu gestalten, statt fünf Jahre lang eine sehr kleine Oppositionspartei zu sein?

Busek:Ich garantiere Ihnen: Wenn sie jetzt in eine Regierung geht, kommen sie am Schluss als keine Partei mehr heraus. Weil die ÖVP die Entscheidungen der SPÖ mittragen muss, und das wird den verbliebenen Restwählern der ÖVP nicht gefallen. Die sind dann auch weg.

Die FPÖ ist auch in Opposition, nur hat sie drei Mal so viele Mandate wie die ÖVP. Wird das dann nicht extrem schwierig?

Busek:Naja, die FPÖ hat auch für die ÖVP den großen Vorteil, dass sie keinerlei Ideen hat. Ich bin mir sicher, dass von der Bevölkerung keiner wüsste, was die FPÖ eigentlich machen will.

Exparteichef Manfred Juraczka und sein Team bleiben im Gemeinderat. Denken Sie, dass ein Neustart so möglich ist?

Busek:Ich kann Stadtrat Juraczka nur empfehlen, seinen Abgang vorzubereiten.Wenn sie die Spitzenposition hatten, und sie die Wahl verlieren, ist es gescheiter, abzutreten. Die ÖVP sollte ihm eine andere, spannende und interessante Aufgabe geben.

Blümel:Wenn wir uns anschauen, was Frau Vassilakou gemacht hat, die bei einem Minus abtreten wollte, und es dann nicht gemacht hat, da hat der Manfred viel mehr Anstand und Rückgrat bewiesen mit seinem Rücktritt.

Er hatte aber nicht gesagt, dass er dann Klubchef wird.

Blümel:Ich auch nicht. Das wird zu diskutieren sein.

Es fällt auf, dass die Ergebnisse aus Bezirks- und Stadtebene doch sehr unterschiedlich sind.

Busek:Das gibt Hoffnung, weil die Wähler in Bewegung sind und nicht mehr auf eine Partei abonniert sind.

Blümel:Das ist ein extrem guter Punkt. Bei der letzten Nationalratswahl-Wahl hatten wir 30 Prozent Wechselwähler. In den 70ern waren es drei Prozent. Das heißt, die Wählermasse ist in Bewegung. Das ist negativ für alte Großparteien, zeigt aber, dass man die Menschen mit guter Arbeit zurückgewinnen kann.

Busek: Das stimmt, man muss nur den Begriff der Großparteien vergessen, die gibt es nicht mehr. Es ist eine andere Welt. Es gibt nur mehr Leihstimmen, und das ist ganz normal in einer Demokratie.

Sie sagten, jeder muss sofort wissen, wofür die Wiener ÖVP künftig stehen soll. Wofür?

Blümel:Ich bin doch erst seit Montag Landesparteichef …

Aber geht es da nicht doch um Grundsätzliches?

Blümel:Dieses Problem besteht seit 20 Jahren oder länger. Sind Sie mir nicht böse, dass ich das heute noch nicht gelöst habe.

Busek: Ich finde es gut, dass er jedenfalls begreift, dass er dieses Problem lösen muss.

Herr Busek, wofür steht die Wiener ÖVP?

Busek:Für eine Partei, die auf dem Rückzug ist, unter Schmerzen. Sie verwaltet nur mehr den Rest.

So negativ haben wir die Frage nicht gemeint, was ist denn das Positive?

Busek:Im Moment nix, wie das Wahlergebnis zeigt. Für mich ist das Urbane ein wesentliches Element des gesellschaftlichen Lebens – und wird immer stärker. Also braucht die Volkspartei viel deutlicher ein urbanes Gesicht. Die Zeit der Trachtenanzüge ist längst vorbei.

Blümel:Der Aspekt oder die Sehnsucht nach Freiheit ist einer, der immer mehr zu Hause ist in dem, was man bürgerlich nennt. Der bürgerliche Typ will tun, was er will, und das in Sicherheit. Der Aspekt Freiheit in Sicherheit, Freiheit und Ordnung, vielleicht müssen wir das stärker adressieren.

Busek:Das Leben des Bürgers mit weniger Sicherheit, in dem er trotzdem der Souverän bleibt, ist eine ganz wichtige Aufgabe. Das ist die Herausforderung für alle politischen Parteien. Da hat es die ÖVP sicher einfacher, weil sie individualistischer ist. Bei der SPÖ ist das schon schwieriger, und die Grünen sehen sich ohnehin im Besitz der Weisheit, wo alles von oben verordnet werden kann.

Auf Bundesebene fehlen derzeit die großen Projekte. Erwarten Sie sich dennoch Rückenwind?

Blümel:Wenn Rückenwind kommt, ist der für mich sehr willkommen.

Busek:Ich würde dringend empfehlen, nicht darauf zu warten.

Apropos bürgerlich: Gibt es eine Premiere im Burgtheater, auf die Sie sich besonders freuen, Herr Blümel?

Blümel:Ich habe mir gerade Karten für Black Sabbath in der Stadthalle gekauft. Ich hoffe doch, sie reduzieren Bürgerlichkeit nicht auf das Burgtheater. Wähler findet man nämlich überall.

Gernot Blümel

Vater der ÖVP-„Evolution“

Blümel feiert kommende Woche seinen 34 Geburtstag. Der Niederösterreicher kommt aus der Jungen ÖVP. Er studierte Philosophie und Wirtschaft, und ist Mitglied beim Cartellverband (Verbindungsname „Alkuin“, der Name des wichtigsten Beraters von Karl dem Großen). 2013 wurde er Generalsekretär der ÖVP.

Wiener Parteichef

Seit Montag ist Blümel neuer Landesparteiobmann. Er löst Parteichef Manfred Juraczka ab, der nach dem VP-Wahldebakel seinen Sessel geräumt hat.

Erhard Busek

ÖVP-Urgestein und -Kritiker

Busek, Jahrgang 1941, begann 1964 nach Abschluss seines Jus-Studiums seine politische Karriere als zweiter Klubsekretär der ÖVP im Parlament. Danach war er Generalsekretär, zuerst vom Wirtschaftsbund, dann von der ÖVP. 1976 wurde er Wiener VP-Chef, der er zu Beginn der Umweltschutz-Bewegung ein grünes Image gab („Bunte Vögel“).

Vizebürgermeister

1984 schaffte Busek mit 34,8 Prozent das für die ÖVP in Wien bis heute beste Ergebnis. Heute hat sie nur mehr 9,2 Prozent.

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