Ein Überlebenskünstler dankt ab

Faymann kam mit Abgang der Ablöse zuvor.
Werner Faymann: Nach acht mäßig erfolgreichen Jahren für die SPÖ musste der 56-jährige Frontmann weichen.

Es hatte phasenweise den Anschein gehabt, als würde Werner Faymann seinem Ruf als "Überlebenskünstler" noch einmal gerecht werden. Seine Getreuen, allen voran Kanzleramtsminister und Faymann-Alter-Ego Josef Ostermayer, hatten alles unternommen, um den SPÖ-Obmann und Kanzler halten zu können. Doch diesmal hatten sich der Spitzengenosse & seine engsten Verbündeten verkalkuliert. Das Regie-Heft hatten andere in die Hand genommen.

Boulevard-Unterstützung nützte nichts

Da half auch die offensichtliche Unterstützung der von Faymann intensiv gesponserten Boulevard-Medien nichts. Die hatten ja Ende vergangener Woche in Kooperation mit dem Kanzleramt noch versucht, Fakten zu schaffen – und gemeldet, Faymann werde definitiv Regierungs- und Parteichef bleiben.

Aber 18 von 19 Wahlen mit einem Minus vor dem SPÖ-Ergebnis in der Ära Faymann waren letztlich zu viel. Nach dem Debakel bei der Hofburg-Wahl im April – SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer kam lediglich auf mickrige 11,3 Prozent – war es nicht mehr möglich, die Kritiker einzubremsen. Zorn und Ärger an der roten Basis waren zu groß. Zu lange war der Unmut von Faymann & Co niedergedrückt worden.

Acht Jahre an der Spitze

Die SPÖ-Funktionäre hatten ohnedies viel Geduld bewiesen. Fast acht Jahre lang stand Faymann an der Spitze der Partei. In dieser Zeit hat die ÖVP drei Mal den Obmann ausgetauscht. Siebeneinhalb Jahre führte der heute 56-jährige Wiener die Regierung an. Damit rangiert er an dritter Stelle unter den SPÖ-Kanzlern in der Zweiten Republik – nur Bruno Kreisky und Franz Vranitzky haben sich länger gehalten.

Übernommen hat Faymann die Partei vom glücklosen Alfred Gusenbauer im Sommer 2008. Nach der Nationalratswahl im Herbst diesen Jahres wurde der ehemalige Wiener Wohnbaustadtrat und damalige Infrastrukturminister dann auch Bundeskanzler.

Vom EU-Skeptiker zum glühenden Europäer

In dieser Funktion präsentierte er sich zunächst als EU-Skeptiker, später gefiel er sich in der Rolle des glühenden Europäers. Und im Vorjahr mimte Faymann im Gleichschritt mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel den Retter der unzähligen Kriegsflüchtlinge.

Als die Stimmung kippte – nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht in Köln und angesichts der 90.000 Asylanträge in Österreich – vollzog der SPÖ-Boss auch auf Druck der ÖVP eine Wende in der Flüchtlingspolitik. Von da an trat Faymann für einen "Richtwert" ein und verteidigte Grenzzäune. Das missfiel der linken Flanke in der SPÖ massiv – und brachte auch bei der Hofburg-Wahl keinen Erfolg. Die Wähler gingen zum Schmied (FPÖ-Mann Hofer), nicht zum Schmiedl.

Wenige stringente Linien

Die Abgrenzung zur FPÖ und seine strikte Antifa-Politik waren eine der wenigen stringenten Linien in Faymanns Polit-Zeit.

Auf der Haben-Seite steht noch, dass die Regierung das Land passabel durch die intensivste Phase der Wirtschaftskrise geführt hat.

Faymanns Rolle als Vorkämpfer für mehr Gerechtigkeit kam zwar bei den Funktionären auch gut an, allein der Frontmann konnte sich mit seinen Forderungen bei der ÖVP nicht durchsetzen. Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer blieben Ankündigungen – zum Ärger vieler SPÖ-Sympathisanten.

Absprung vor Druckentladung

Eine Landtagswahl um die andere ging verloren. Die Länderobleute machten die schlecht angeschriebene Bundesregierung sowie die Bundespartei dafür mitverantwortlich. Faymann wurde auch übel genommen, dass er in den Gremien keine Diskussionen zuließ und Konflikte stets im Keim zu ersticken versuchte. Das funktioniert bei den Genossen traditionsgemäß zwar besser als in der ÖVP. Zuletzt aber wurde der Druck immer größer. Länder-Vertreter gelangten aufgrund der Rückmeldungen von der Basis zur Überzeugung, dass mit Faymann keine Wahl mehr zu gewinnen wäre – und drängten auf einen Wechsel. Der SPÖ-Chef versuchte den Deckel draufzuhalten – trotz der Buhrufe am 1. Mai. Ohne Erfolg. Ehe sich der Druck nun entlud, sprang er ab.

Faymann: Vom Regionalpolitiker zum Kanzler

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