Wenn sich das Auto selber einen Parkplatz sucht

Plan A als Scheidungsgrund? ÖVP wirft Kern "Inszenierung" vor
Kanzler Kern erzählt den Studenten einer IT-Fachhochschule, wie die Welt der Zukunft aussieht, und wie die Politik damit umgehen soll.

Wir sind in Hagenberg, nördlich von Linz im oberösterreichischen Mühlviertel. Hier befindet sich einer der vier Fachhochschulstandorte des Bundeslands. Der Ausbildungs- und Forschungsschwerpunkt in Hagenberg ist Software-Entwicklung.

Fast 100 Prozent der oberösterreichischen Fachhochschul-Absolventen bekommen sofort nach Studienabschluss einen Job, die Schulen könnten drei Mal so viele Leute ausbilden, so groß ist die Nachfrage. Die Wirtschaft reißt sich aber nicht nur um die Absolventen, sondern sie schießt Drittmittel in die Forschung ein und macht die Ergebnisse marktreif – eine perfekte Kooperation von Staat und Privat.

Christian Kern hört sich die Erfolgsstory des Mühlviertler Software-Parks interessiert an. Er lässt sich die neuesten Entwicklungen zeigen: smarte Kleidungsstücke, Sensortechnik an Autositzen, Materialbiegung zur Interaktion (anstelle von Touchscreens), Software für die medizinische Diagnose oder Biodiversität-Datenbank. Auch smarte Einsatztafeln für die Polizei und andere Einsatzkräfte befinden sich darunter. Sie sind in Österreich, Italien und Deutschland bereits in Verwendung.

Am Abend zuvor hatte der Kanzler in Wels seine viel beachtete programmatische Rede gehalten. Hagenberg ist die erste von vielen Stationen, bei der Kern seinen "Plan A" für Österreich vorstellen und diskutieren wird.

Nicht zu stoppen

Im Hörsaal lauscht Kern zuerst der Projektpräsentation von Studenten. Dann schlüpft er in die Rolle des Vortragenden. Er erzählt den Studenten, wie sich die Welt entwickeln wird. Trotz der protektionistischen Politik eines Donald Trump oder des Brexit werde sich die Globalisierung nicht zurückentwickeln. Und infolge der Digitalisierung "werden wir unsere Welt in vier bis zehn Jahren nicht wiedererkennen".

Der Kanzler gibt die Geschichte von Kodak zum Besten: "1998 hatte Kodak 170.000 Mitarbeiter und einen Marktanteil von 85 Prozent bei Fotopapier. Drei Jahre später ist die Firma ausgelöscht, 170.000 Leute haben ihre Jobs verloren. Diese Firma hat einen Prozess nicht erkannt, der 1975 mit dem ersten digitalen Foto begonnen hatte. Das Beispiel Kodak steht typisch für Entwicklungen in anderen Bereichen, etwa für die Entwicklung der artifiziellen Intelligenz."

In Zukunft würden Computer mit höherer Treffsicherheit Krebs diagnostizieren als Ärzte und mit höherer Sicherheit Rechtsauskünfte geben als Anwaltsgehilfen. Und die ÖBB würden in zehn Jahren statt der derzeit 42.000 Arbeitnehmer nur mehr 20.000 beschäftigen.

Kern sagt, Klagen hätten wenig Sinn. Man könne die neuen Technologien nicht "in eine Kiste sperren und auf dem Dachboden verräumen". Es gehe darum, eine Entwicklung, die nicht zu stoppen sei, als Chance zu begreifen. Kern: "Die Politik muss einen Weg suchen, um sich an die Spitze dieser Entwicklungen zu stellen."

Kern schildert, wie er sich persönlich zur Vorfreude auf die Digitalisierung motiviert: "In Zukunft werden im siebenten Bezirk in Wien selbstfahrende Autos herumfahren. Wenn ich eines brauche, ruf’ ich es mit dem Handy. Wenn ich nach Hause komme, steige ich lässig vor der Tür aus, und das Auto sucht sich den Parkplatz allein."

Positive Globalisierung

Kern, vor nicht allzu langer Zeit noch ein Gegner des Freihandelsabkommens mit Kanada, findet positive Worte für die Globalisierung: "Die extreme Armut in der Welt ist von 25 auf elf Prozent zurückgegangen. Die Kindersterblichkeit hat dramatisch abgenommen, das Lebensalter ist angestiegen. Und das Modell der westlichen Demokratie hat einen unglaublichen Siegeszug angetreten."

Die Fragen der Studenten kreisen um die Zukunft der Arbeit und des Sozialstaats. Wird es viele Verlierer geben, die bei dieser Entwicklung nicht mitkommen? Was wird man für sie tun können? Kern: "Wir müssen trachten, dass möglichst niemand aus der Kurve fliegt. Über die künftige Finanzierung des Sozialstaats werden wir noch viel nachdenken müssen."

Kommentare