Warum Frauen das Land verlassen
Die Bundespräsidenten-Stichwahl zwischen Grün und Blau hat das Wahlverhalten bestimmter Gruppen deutlich sichtbar gemacht. Ein Gegensatzpaar waren Städter und Landbewohner. Alexander Van der Bellen erreichte in städtischen Ballungsräumen durchschnittlich 61 Prozent der Stimmen, Norbert Hofer 39 Prozent. In ländlichen Regionen kam Hofer auf 60 Prozent, Van der Bellen auf 40 Prozent. "In dieser Schärfe waren regionale Unterschiede noch nie zu sehen", sagt Wahl-Forscher Franz Sommer.
Was steckt hinter den statistischen Zahlen? Verändert das Stadtklima die Menschen? Oder wandern Menschen mit bestimmten Einstellungsmustern vom Land ab?
Faktum ist, Österreich ist vom globalen Trend zur Verstädterung nicht ausgenommen, es findet eine kontinuierliche Binnenwanderung in die Ballungsräume statt. Die Folgen sind massiv: So prognostiziert die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK), dass die erwerbsfähige Bevölkerung bis zum Jahr 2030 noch konzentrierter als jetzt in wenigen, aber wachsenden urbanen Gebieten leben wird, während weite Teile des Landes unter Entvölkerung leiden (Grafik). Die Migrationsströme scheinen sich in divergierenden Lebensgefühlen, und diese wiederum im Wahlverhalten niederzuschlagen. Vergleicht man die Migrationsgrafik mit der Wahlgrafik, so stimmen bis auf wenige Ausnahmen die Zuwanderungsgebiete mit den Van der Bellen-Mehrheiten (oder Hofer-Verhinderungs-Mehrheiten) überein. Die ländlichen Abwanderungsgebiete sind hingegen blau gefärbt.
Ein krasses Abwanderungsgebiet, die Obersteiermark, hat der Soziologe Rainer Rosegger eingehend untersucht. Demnach sind die Abwanderer bestimmte Gruppen. Rosegger: "Es handelt sich um besser Gebildete, weil sie auf dem Land nicht die adäquaten Arbeitsplätze finden, und weil sie in der Stadt die Möglichkeit zur Weiterbildung, etwa eine tertiäre Ausbildung, haben."
Zweitens ziehen "mobilere und flexiblere" Leute weg: "Leute mit starker Traditionsbetonung tun sich schwer mit dem Abwandern."
Drittens gehen vor allem junge Frauen weg. Rainer: "Viele junge Frauen streben eine höhere Ausbildung an. Hinzu kommt, dass auf dem Land eher noch patriarchale Strukturen mit starken Geschlechterrollen herrschen." Das treibe viele Frauen in die Stadt. Folge: Rainer hat bei seiner Studie einen deutlichen Männerüberhang in Dörfern festgestellt: "Der Lebenszufriedenheit dieser Männer ist das nicht gerade zuträglich."
Die Universität Klagenfurt hat die Motive emigrierender Kärntner hinterfragt und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach sind Arbeitsplätze, Arbeitsplatzqualität und Aufstiegschancen ("Hier kann ich Karriere machen")der Hauptgrund, in eine große Stadt zu ziehen. Auf Platz zwei der Wanderungsmotive rangiert laut dieser Studie das bessere Dienstleistungsangebot in der Stadt. Das reicht von Fortbildungsmöglichkeiten (Unis) über städtisches Leben (Shopping, Events, Kultur) bis zu Kindergärten und Schulen mit langen Öffnungszeiten. Letzteres ist – und hier schließt sich der Kreis zu Roseggers Studie – ein "Pull-Faktor" für Frauen.
Wenn jüngere und unternehmungslustigere Teile der Bevölkerung abwandern, ist es kein Wunder, wenn auf dem Land Pessimismus entsteht. Zurück bleiben verödete Ortskerne, geschlossene Geschäfte und Wirtshäuser.
Man wird das Rad der Zeit nicht zurückdrehen können, aber es gibt Ideen gegen das Veröden des Landes.
Die Uni Klagenfurt empfiehlt, regionale Ballungsräume (Graz, Klagenfurt) möglichst attraktiv zu machen, damit die Abwanderer nicht ganz fortziehen.
Rosegger rät, die Landregionen sollten die Bindung zu ihren Abwanderern nicht kappen. Sie sollten Spielräume schaffen, damit Abwanderer ihre Ideen einbringen und regionale Wirtschaftsräume beleben können.
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