Was uns die Parteien sagen wollen

Werbe-Guru Gerhard Puttner
Top-Werber Gerhard Puttner analysiert die Botschaften von Kern, Kurz & Co.

Die erste Plakatwelle ist de facto komplett, nur Peter Pilz fehlt noch mit seiner Botschaft an das Wahlvolk. Am Freitag haben auch FPÖ und Grüne ihre ersten Sujets für die Nationalratswahl am 15. Oktober präsentiert. Anlass genug, um die Großformate einer Bewertung durch einen Fachmann zu unterziehen. Sie werden in den nächsten Tagen und Wochen den öffentlichen Raum prägen.

Der international bekannte Wiener Werbeprofi Gerhard Puttner analysiert für den KURIER die Botschaften der Parteien aus werbepsychologischer Sicht – und verteilt in Anlehnung an das Schulsystem Noten für den Gesamteindruck. Dabei legt er Wert auf die Feststellung, dass es sich um seine Fachmeinung als Werbeexperte handelt und nicht um seine politischen Privatansichten.

Puttner wurde durch den Slogan "Kreisky, wer sonst?" bekannt, den er für den damaligen SPÖ-Chef im Wahlkampf 1970/1971 entwarf – mit bekannt durchschlagendem Erfolg. Kreisky holte für die SPÖ die Absolute.

Puttner studierte damals relativ frisch an der Wirtschaftsuniversität und hatte gerade seinen ersten Job als Texter für die Agentur McCann ergattert. Viele weitere sollten folgen.

Auf dem Feld der Politik arbeitete Puttner später auch für die Wahlkämpfe von Franz Vranitzky oder Michael Häupl. Seine Referenzliste aus der Wirtschaft reicht heute von A wie AMA bis V wie Visa. Über die Jahre textete der gebürtige Kärntner weithin bekannte Slogans: "Nur ein Mercedes ist ein Mercedes", "Crisan ist sauteuer, aber es wirkt" oder auch "Schau in die Krone" – für Hans Dichand, seinen ersten Medienkunden.

Puttner hat einen ausgeprägten Hang zur Filmwelt und zu Filmbildern, mit denen er gerne arbeitet.

Das kommt so: Der in Wien ausgebildete Werbewissenschafter und Marktforscher studierte später auch "Sreenwriting and Acting" am American Filminstitute in Los Angeles.

ÖVP? „Lieblings-Schwiegersohn der Nation“

Was uns die Parteien sagen wollen
Kurz Plakat
Viel Neues, bis hin zu einer neuen Volkspartei, verspricht ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf seinem Plakat.
Werbeprofi Gerhard Puttner überzeugt er: „Kurz zeigt die heile Welt. Man sieht einen sympathischen jungen Mann, der schon sehr wissend in die Zukunft schaut. Und es stört den Betrachter nicht, dass das Plakat offenbar von einem neuen Künstler gestaltet wurde, formerly known as alte ÖVP. Kurz versucht sich abzuheben.“
Die zentrale Botschaft sei gleichzeitig auch die einzige Gefahrenquelle, analysiert der Fachmann. „Einen möglichen Vampireffekt stellt die Tatsache dar, dass die Wähler generell ein wenig Angst haben vor gar zu viel Neuem.“ Insgesamt „funktioniert“ das Plakat jedoch, es sei durchaus „gelungen“ und passe zu Kurz’ bisheriger Story. Zur Inszenierung von Licht bis Pose meint Puttner: Bei der Wahl zum neuen „Lieblings-Schwiegersohn der Nation“ kann Kurz punkten.

Gesamtbewertung: „Ja, bravo. Sehr gut, setzen!“

SPÖ? „Zorro, der Rächer der Enterbten“

Was uns die Parteien sagen wollen
ABD0017_20170804 - WIEN - ÖSTERREICH: BK und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern im Rahmen der Präsentation eines Wahlplakates für die Nationalratswahl am Freitag, 4. August 2017, in Wien. - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

SPÖ-Chef Christian Kern zeigt mit dem Zeigefinger aus einer Menschenmenge heraus. Sein Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“, wurde zuletzt breit und kontroversiell diskutiert.
Werbeprofi Puttner stellt sich auf die Seite der Skeptiker: „Die Story vom Pizzaboy, der uns jetzt in einem dramatischen Rollenwechsel als ,Zorro, der Rächer der Enterbten‘ erscheint, ist ein bisschen gar gewagt.“
Nicht fehlen dürften auf dem Plakat die Pensionisten und der Lehrling, der im „zweiten Bildungsweg SPÖ gewählt hat“.
Was fehle, ist naturgemäß der böse Kapitalist, dieser müsse für die Erbschafts- und Vermögenssteuer aufkommen. Der gestreckte Finger des Kanzlers ist in der politischen Werbung gerne genommen, sagt Puttner. Er hat als Botschaft – in Anlehnung an Uncle Sam – den sympathisch gemeinten Einberufungsbefehl: „I want you“ – wählen Sie mich!

Gesamtbewertung: „Ob das beim Klassenprimus für einen Zweier reicht?“

FPÖ? Retro-Message à la „Lost in Translation“

Was uns die Parteien sagen wollen
FPÖ Plakat
Die FPÖ zeigt ein Tandem. Vorne der strampelnde Leistungsträger im rot-weiß-roten Dress, hinten der fettgefressene Rot-Schwarze.
Werbeprofi Puttner assoziiert spontan eine Einschaltung für Schwarz-Blau. Besonders auffällig sei die altbekannt wirkende Protestbotschaft gegen die Noch-Koalition. Puttner: „Man spürt fast die Nervosität der FPÖ. Das Ausländer-Hauptthema ist ihr abhanden gekommen, das haben andere besetzt. Die Blauen kommen deshalb mit dieser Retro-Message.“
Auch optisch erinnere das Plakat eher an eines aus den 1950er-Jahren. Von der Botschaft bis zum Design sei „zu viel des Guten im Sinne des Schlechten passiert“. Puttner: „Der Empfänger der Nachricht wird etwas ratlos zurückgelassen.“ Denke man wie er selbst gerne in Filmbildern, siedle sich die FPÖ mit diesem Sujet irgendwo zwischen David Lynchs „Mulholland Drive“ und Sofia Coppolas „Lost in Translation“ an.

Gesamtbewertung: „4- für den talentierten Mr. Kickl.“

Grüne? Freche Grüne mit „Trau dich doch“

Was uns die Parteien sagen wollen
Die Grünen Plakat
Die Grünen haben drei Plakate präsentiert. Das markanteste Sujet setzt auf Ulrike Lunaceks Alleinstellungsmerkmal – sie ist die einzige Spitzenkandidatin im Wahlkampf.
Werbeprofi Puttner kann mit Botschaft und Design des Plakates jedoch wenig anfangen: „Zwar erinnert der kühne Slogan stark an die preisgekrönte Palmers-Kampagne ‚Trau dich doch‘, nur haben wir die Sujets von damals etwas anders in Erinnerung ...“ Das Plakat hätten die Grünen bringen können, sagt Puttner, stünde noch ein starker Frauen- und Muttertyp wie Eva Glawischnig an der Spitze der Partei. „Ulrike Lunacek wirkt jedoch etwas fehlbesetzt. Sie repräsentiert das nicht.“
Auch das Kernthema Umwelt fehle, Grün komme offenbar nur noch als Farbe vor, analysiert der Fachmann. Puttner: „Der Inhalt ist weg, der Farbtopf ist leer. Auch das Kind rechts scheint eher zu sagen, hoffentlich ist diese Fotosession bald vorbei.“

Gesamtbewertung: „Dieses Mal geht sich nicht mehr als ein Vierer aus.“

Neos? „Einreichung für Creative Club Austria“

Was uns die Parteien sagen wollen
BILD zu OTS - NEOS Plakatpräsentation: Sujet "Euröpa"
Die Neos bringen als Einzige weder ihren Spitzenkandidaten Matthias Strolz noch einen einprägsamen Slogan auf ihren ersten Plakaten.
Das spiegelverkehrt geschriebene Europa mit Ö soll offenbar für die andere, pinke Perspektive stehen.
Werbeprofi Puttner sagt dazu: „Dieses Plakat entzieht sich gekonnt jeder fundierten werbepsychologischen Benotung. Offensichtlich wurde es für eine Einreichung beim Creative Club Austria entwickelt. Hier wird für gutes Geld Kunst im öffentlichen Raum gemacht.“
Das Plakat könne im Wahlkampf „nicht funktionieren“. Denn es hätten offenbar „Kreative für Kreative“ entworfen. Die Botschaft sei diffus und gehe an der Zielgruppe vorbei. Puttner: „Die Message regt maximal zur Frage an, ob die geniale Idee, Europa nun mit Ö zu schreiben, auf den neuen Parteinamen NÖOS umgelegt wird.“

Gesamtbewertung: „Nicht so kreativ, dass es schon wieder gut wäre.“

Kommentare