Was die Schule neu braucht

Expertin Schrodt: "Der Unterricht muss für die Schüler angepasst werden können, damit viel besser gefördert und gefordert werden kann"
Der Streit ums Dienstrecht verstellt den Blick, woran das Schulsystem wirklich krankt.

Endlich reden wieder alle über die Schule. Ob die künftigen Lehrer mehr in den Klassen unterrichten sollen, ob alle Bundeslehrer Landeslehrer werden sollen, und ob die Schule gar von manchen Lehrern in den kommenden Wochen bestreikt wird.

Dabei ist allen Verantwortlichen klar: An den eigentlichen Problemen des österreichischen Schulsystems geht die Aufregung ums Lehrer-Dienstrecht vorbei. Aber wie muss Schule sein, damit die nächste Generation das überlebensnotwendige Wissen erlangen kann und die Zukunft nicht fürchten muss? Wo sind die Schwächen des Systems?

Zauberwort Autonomie

„So, wie Schule derzeit organisiert ist, kann nicht gezielt gearbeitet werden. Der Unterricht muss für die Schüler angepasst werden können, damit viel besser gefördert und gefordert werden kann“, sagt die Bildungsexpertin Heidi Schrodt, eine ehemalige AHS-Direktorin. Das Zauberwort, sagt sie, heißt: Schulautonomie. Wenn Schulen sich gezielter auf die an sie gestellten Anforderungen vorbereiten können, haben Lehrer als auch Schüler größten Nutzen.

Dazu kommt, dass Klassen mit einem sehr hohen Anteil an Migrantenkindern vor allem in Großstädten wie Wien ist. „Dieses Problem der Mehrsprachigkeit wurden von den Behörden die längste Zeit ignoriert“, sagt Schrodt, „dabei brauchen diese Kinder den muttersprachlichen Umgang. Erst dann kann man eine zweite und dritte Sprache auch gut erlernen.“

Qualitätskontrolle

„Die Qualität der Bildung ist der entscheidende Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes“, betont Wirtschaftsforscher Karl Aiginger, Chef des Wifo. Dabei kritisiert er, dass das heimische Schulsystem im internationalen Vergleich teuer ist, die Schüler aber in Vergleichsstudien schlecht abschneiden – etwa, dass 28 Prozent der 15-Jährigen nicht sinnerfassend lesen kann. Von der Volksschule bis zur Uni hat Österreich pro Kopf durchschnittlich 9558 Euro an Ausgaben, deutlich mehr als OECD-Länder (7100 Euro, Stand 2010). Dazu komme, dass Bildung – als auch Bildungsarmut – nach wie vor vererbt wird: Aiginger: „Kinder von Akademikern haben ein Risiko von späterer Arbeitslosigkeit von nur zwei Prozent, bei den Kindern von Pflichtschulabsolventen sind es zehn Prozent.“ Das habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar etwas gebessert, der Unterschied bleibe aber groß.

Reifetest für Lehrlinge

8,3 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben derzeit nur einen Pflichtschulabschluss – ohne zusätzliche Ausbildung. Gerda Challupner kennt das Problem, sie kümmert sich seit über dreißig Jahren im AMS Wien um Jugendliche. „Immer öfter haben wir das Problem, dass die 15-Jährigen nach der Pflichtschule nicht ordentlich Schreiben, Rechnen und Lesen können. Etwa ein Drittel schafft die Aufnahmetests der Lehr-Betriebe deshalb nicht“, berichtet die Expertin. „Die sind sicherlich nicht dumm. Es gab aber offenbar ein starken gesellschaftlichen Wandel in den vergangenen Jahrzehnten. Damals gab es offenbar mehr Unterstützung vom Elternhaus. Heute brauchen die Jugendlichen viel mehr Betreuung.“ Die Schulen, glaubt Challupner, seien oft überfordert mit diesen neuen Anforderungen, nicht nur auszubilden, sondern auch zu erziehen. Was es deshalb brauche, sind viel mehr Sozialarbeiter und Psychologen im Schulbetrieb.

Flexibleres Angebot

Nur 17,5 Prozent aller Schüler von sechs bis 14 Jahren sind in einer ganztägigen Schulform. Das ist vor allem ein Problem für Eltern. „Von den Eltern wird am Arbeitsmarkt erwartet, dass sie bei der Arbeitszeit immer flexibler werden, die Schule ist es aber nicht“, sagt Johann Kalliauer von der Arbeiterkammer in Linz. „Die Angebote besonders am Land sind nur selten ausreichend, viele Eltern können das mit ihrer Situation am Arbeitsmarkt nicht mehr im Einklang bringen.“ In den Städten ist das Angebot zwar besser, dennoch fehlen Betreuungsplätze, ob in Form von Ganztagsschulen oder Hortplätzen.

Teure Nachhilfe

Ein großes Problem verteilt sich über ganz Österreich – und betrifft fast ausschließlich AHS-Schüler: Sie brauchen nach dem Unterricht Nachhilfe. „Das ist mittlerweile wie die zweite Leistungsgruppe in den AHS“, sagt Andreas Ehlers vom Verband der Elternvereine an Pflichtschulen. 101 Millionen Euro haben Eltern im vergangenen Jahr für private Nachhilfe bezahlt, rechnet die Arbeiterkammer vor. Das entspricht Ausgaben von 680 Euro pro Familie – oder der Arbeit von 48.000 Vollzeitbeschäftigten. Nicht eingerechnet sind jene Stunden, die Eltern selbst mit ihren Kinder daheim lernen. Für AK-Präsident Rudolf Kaske liegt die Lösung in ganztägigen Schulformen.

Schlechte Lehrer

Eines vorweg: Der allergrößte Teil der Pädagogen in Österreich macht eine gute Arbeit, ist engagiert und mit Freunde an der Arbeit. Klar ist aber auch. Bei 126.000 Lehrern, die derzeit in Österreich unterrichten, gibt es auch welche, die für den Lehrberuf ungeeignet sind. „Hier versagt die Schulaufsicht komplett. Schlechte Lehrer müssen raus aus den Schulen“, ärgert sich Theodor Saverschel, Chef des Bundeselternverbandes, über eines der leidvollsten Probleme im Schulbetrieb. „Wir haben angeregt, einen Fonds einzurichten, der diesen Pädagogen helfen soll, sich umschulen zu lassen, zum Beispiel für die Erwachsenenbildung.“

Im Montag-KURIER: Was Lehrer wirklich wurmt.

Lehrer als Buh-Männer der Nation? Zur Debatte auf KURIER.at

Was die Schule neu braucht

Kommentare