Streitgespräch: Warum Strache & Pilz Türken-Pässe jagen
KURIER: Herr Strache und Herr Pilz, in der Frage der türkischen Wählerevidenzlisten herrscht zwischen Ihnen ein richtiger Wettstreit. Erleben wir hier ein Match, wer der bessere Prinz Eugen 2017 ist?
Peter Pilz: Ich befinde mich nicht in einem Türkenkrieg, sondern ich führe eine wichtige Auseinandersetzung mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan, die ich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gewinnen will.
Heinz-Christian Strache: Wir führen einen Kampf für den österreichischen Rechtsstaat. Wenn es rechtswidrige Doppelstaatsbürgerschaften gibt, und dafür gibt es zahlreiche Hinweise, dann muss es Konsequenzen geben. Abseits dieses Themas halte ich fest, dass ich jedwede Islamisierung Österreichs ablehne und eine ganz klare und konsequente Haltung gegen den politischen Islam vertrete. Wir kämpfen für unsere Gesellschaft, dass es hier zu keinen Parallel- und Gegengesellschaften kommt.
Pilz: Rechtsstaat ja, aber Denunziationsstaat nein. Auf den Unterschied kommt es an, etwa wenn man sich unseren Umgang mit den türkischen Wählerevidenzlisten anschaut. Herr Strache will die Listen den Behörden einfach auf den Tisch knallen. Aber Vorsicht: Da sind auch Menschen darunter, die im Glauben aufgewachsen sind, Österreicher zu sein. Sie waren noch Kinder, als sie mit ihren Eltern gemeinsam die Staatsbürgerschaft ex lege verloren haben. Rechtsstaat bedeutet für mich da eines: Einerseits die Straftäter verfolgen, andererseits aber auch diese Opfer schützen.
Herr Strache, gehen Sie unseriös mit den Wählerevidenzlisten um?
Strache: Nein. Ich frage mich viel mehr: Will Peter Pilz die illegal rechtswidrigen Staatsbürgerschaftsbesitzer, die sehr wahrscheinlich Erdoğan-Anhänger sind, schützen? Er hat ja schon vor geraumer Zeit, die Wählerevidenzlisten zugespielt bekommen. Normalerweise ist Peter Pilz ja nicht abgeneigt, mit seinen Aufdeckungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Bis dato hat er nichts öffentlich gemacht. Jetzt ist auch uns die Wählerevidenzliste mit über 107.000 Wahlberechtigten zugespielt worden. Wir haben zusätzlich die Wählerevidenzliste mit über 50 Millionen Wahlberechtigten aus der Türkei. Damit haben wir die Möglichkeit des Re-Checks. Uns ist gleich aufgefallen, dass mehrere Mandatare von SPÖ, ÖVP und Grünen auf der Liste sind und im Verdacht stehen, eine rechtswidrige Doppelstaatsbürgerschaft zu besitzen, sofern sich die Listen bestätigen. Da frage ich mich schon: Warum weigert sich Peter Pilz, die Aufklärung durch die Behörden zu unterstützen? Es ist ja nicht meine und auch nicht die Aufgabe von Peter Pilz, den Rechtsstaat zu ersetzen. Die Beamten, aber nicht wir beide, haben im Sinne der Gesetze vorzugehen.
Pilz: Da wird der Unterschied zwischen uns klar: Sie sind zuständig für den Krach. Ich bin zuständig für die minutiöse Arbeit. Eines werden ich und das Parlament nicht zulassen: Dass unschuldige Kinder in die Staatsbürgerschaftsfalle gehen, wegen eines rechtsstaatlich nicht gedeckten Vorgehens seitens der FPÖ.
Strache: Das sind alles Schutzbehauptungen, die eines sichtbar machen – nämlich dass SPÖ, ÖVP und Grüne ganz eng mit diversen türkischen Communities kooperieren. Das kann es nicht sein. Haben Sie schon begonnen bei den betroffenen Grünen Mandataren tätig zu werden, damit sie dann ihr Mandat zurücklegen?
Pilz:Selbstverständlich schauen wir uns die Fälle an und es stellt sich heraus, dass es sich um legale Doppelstaatsbürgerschaften handelt, weil ein Elternteil aus Österreich stammt. Ich bin dafür, dass wir allen, die Sie auf diese Art denunzieren, den Anwalt finanzieren.
Strache: Ich habe noch gar keine Namen genannt. Ich werde sie erst nennen, wenn die Liste vom Anwalt geprüft ist. Das wird nächste Woche sein.
Pilz: Ja, Sie sind zu feig, Namen zu nennen, weil Sie anonym denunzieren wollen.
Strache: Seien Sie beruhigt Herr Pilz. Wir werden bald die Namen jener grünen Funktionäre öffentlich machen, die eine illegale Doppelstaatsbürgerschaft haben.
Herr Strache, warum wollen Sie auch jene zur Verantwortung ziehen, die von der Annahme der Doppelstaatsbürgerschaft nichts wussten, weil sie noch minderjährig waren?
Strache: Eltern mit oder ohne Migrationshintergrund haben die rechtsstaatliche Verantwortung, solange die Kinder nicht großjährig sind. Wenn Eltern eine rechtswidrige türkische Doppelstaatsbürgerschaft beantragt und Betrug gelebt haben, dann tragen auch die Eltern die Verantwortung für ihr Verhaltensmuster. Das können wir nicht ausblenden. Wenn Sie hier versuchen, den Rechtsstaat auszuhebeln, dann hoffe ich nicht, dass SPÖ und ÖVP mitgehen und einen Skandal verursachen.
Pilz: Herr Strache, was Sie hier formulieren, ist kein Rechtsstaat. Das ist ein freiheitlicher Kreuzzug auf dem Rücken von Kindern, die schuldlos sind. Erklären Sie mir einmal die Schuld eines zweijährigen Kindes von Eltern, die bei der Staatsbürgerschaft schwindeln. Ja, die Eltern haben die Staatsbürgerschaft verloren. Aber das zweijährige Kind soll die Rechnung dafür bezahlen, dass die Eltern Gesetze übertreten haben?
Strache: Herr Pilz, wollen Sie jetzt Familien trennen?
Pilz: Ich will keine Familien trennen. Ich will Sie vor Ihnen schützen. Was Sie vertreten, nennt man Sippenhaftungen. Diese Kinder sind in Österreich geboren. Sie kennen nichts anderes als die österreichische Staatsbürgerschaft, und diese Kinder sind mindestens so gute Österreicher wie Sie einer sind, Herr Strache.
Strache: Davon gibt es sicher viele, welche nicht integriert sind. Siehe das Referendum mit 73 Prozent pro Erdoğan. Wir werden einer Anlassgesetzgebung sicher nicht zustimmen. Die rot-schwarze Regierung hat seit Jahren über den Skandal Bescheid gewusst. Wenn man jetzt, wo wir die Wählerevidenzlisten haben und den Skandal aufdecken, versucht mit einer Anlassgesetzgebung den Rechtsstaat zu beugen, wäre das ein Skandal.
Pilz: Ich sage Ihnen etwas: Auch wir Grüne haben in dieser Frage dazulernen müssen. Gerade das war für meine Partei nicht leicht. Es wäre schön, wenn auch die Freiheitlichen einmal dazulernen könnten. In solchen heiklen Frage, wo es um Schicksale von Familien geht, ist Opferschutz eines der höchsten Güter.
Strache: Herr Pilz, der Rechtsstaat wird keinem Unschuldigen die Staatsbürgerschaft aberkennen, sondern nur den Tätern. Da treiben Sie ein mieses Spiel.
Herr Pilz, eines fällt auf: Im Gegensatz zu Ihrer Parteichefin Eva Glawischnig oder auch Bundespräsident Van der Bellen sind Sie strikt gegen Doppelstaatsbürgerschaften. Warum?
Pilz: Ich nehme das mit Respekt zur Kenntnis, aber es stimmt, hier sind wir nicht einer Meinung. Wir sind auch in der Frage des politischen Islams möglicherweise einer etwas anderen Meinung, weil ich überzeugt bin, dass der Kopftuch-Islam eine reaktionäre, menschen- und europafeindliche Form des Islams ist. Das Kopftuch ist zu Recht zum Symbol dieser Diskussion geworden. Da geht es um eine Form des Islams, die vollkommen unverträglich mit unseren demokratischen Werten ist. Da bin ich gegen jede falsche Toleranz.
Die von Bundespräsident Alexander Van der Bellens geforderte Solidarität, dass alle Frauen ein Kopftuch gegen die Islamophobie tragen sollen, tragen Sie nicht mit?
Pilz: Da wird jetzt aus einer ironischen Bemerkung eine Grundsatzerklärung gemacht.
Kann man die Aussage mit Ironie erklären, wenn Van der Bellen auch darauf hinweist, dass die Dänen während der deutschen Besatzung den David-Stern getragen hätten?
Pilz: Schauen Sie, wir sind in dieser Frage nicht einer Meinung. Aber es wird unter Freunden möglich sein, das in aller Ruhe und in aller Nachdenklichkeit zu diskutieren.
Strache: Die Bemerkungen des Bundespräsidenten kann man nicht mit Ironie abtun. Er hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass alle Frauen dieses Kopftuch aus Solidarität auch jenen gegenüber tragen sollen, die das Kopftuch aus religiösen Gründen aufsetzen. Hier geht es um den politischen Islam und Frauenrechte, die unterdrückt werden. Dann verdreht Alexander Van Bellen die reale Bedrohungssituation von Frauen mit einem unglaublich NS-Vergleich, der in dieser Form nicht zu akzeptieren ist. Da erwarte ich mir vom Bundespräsidenten eine Entschuldigung. Aber zurück zu Ihnen, Herr Pilz. Ich bin ja froh, dass Sie mir nach über 12 Jahren in der Frage des politischen Islams nun recht geben. Sie scheinen dazugelernt zu haben. Vielleicht schaffen wir es dann doch einmal, ein Kopftuchverbot in Kindergärten, an Schulen und im öffentlichen Dienst gemeinsam durchzusetzen. Denn genau das braucht es, wenn man es nicht zur Farce verkommen lassen will. Wenn drei- und vierjährige Mädchen mit Kopftuch in den Kindergarten kommen, weil die Eltern es so wollen, ist das eine Entwicklung, die in Österreich nichts verloren hat.
Herr Pilz, sind Sie für ein Kopftuchverbot?
Pilz: In diesem Punkt müssen wir ebenso rasch wie besonnen handeln. Alle religiösen Symbole haben weder im Gerichtssaal noch im Klassenzimmer etwas verloren. Wir brauchen eine klare Trennung von Staat und Kirche.
Strache: Sie machen einen schweren Fehler. Das Kopftuch ist kein religiöses Symbol, sondern eines des politischen Islams. Das ist der Unterschied. Hier verlaufen Sie sich in einer Richtung, die falsch ist.
Pilz: Das Wesen des politischen Islams ist ja gerade das Verbot der Trennung von Religion und Staat. Unsere toleranten Gesellschaften sind auch deshalb so stark, weil sie auf die hundertprozentige Trennung bestehen. Wenn die Vertreter des politischen Islams Kreuze an den Wänden sehen, dann ist für sie ein wunderbares Argument, dass wir Religion und Staat auch nicht trennen. Was das Kopftuch betrifft, gebe ich ihnen recht. Das Kopftuch ist kein Symbol der freien Wahl von Frauen, sondern der Unterdrückung. Unser Problem ist nicht nur, dass der politische Islam sich in Österreich ausbreitet, sondern dass der türkische Staat einen wesentlichen Teil des türkischen Islams kontrolliert.
Strache: Der Missbrauch des Islams ist das Entscheidende. Genau hier müssen wir ansetzen. Dafür braucht es keine Kreuzdebatte. Das Kreuz ist Teil unserer Kultur. 1973 hatten wir 30.000 muslimische Mitbürger in Österreich. Durch die katastrophale Zuwanderungspolitik, die von SPÖ, ÖVP und Grünen vorangetrieben wurde, haben wir heute 700.000 muslimische Mitbürger in Österreich. Wir sind in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zur eigenen autochthonen Minderheit geworden. Das ist etwas, wofür ich mich schäme. Weil man es nicht geschafft hat, in der Integrationspolitik rechtzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Dass 73 Prozent der Austro-Türken für Erdoğan gestimmt haben, führen Sie, Herr Pilz, in einem "Standard"-Kommentar auf das 30-jährige Versagen in der Integrationspolitik und auf die falsche Toleranz zurück.
Strache: Das ist ein wortwörtliches Zitat von Heinz-Christian Strache (lacht).
Pilz: Ich führe es vor allem auf die ungestörte Tätigkeit der Erdoğan-Stasi in Österreich zurück. Das hat die FPÖ verschlafen. Was ist falsch gelaufen? Es wurde zu wenig Integration geboten und zu wenig Integration verlangt. Etwa die Pflicht, Deutsch zu lernen – aber auch die Deutschkurse, die es dazu braucht. Unsere Regierungen haben zugeschaut, wie Menschen aus Bauerndörfern in Zentralanatolien nach Österreich gekommen sind. Auch die Stadt Wien schaut zu, wie sich eine türkische Community immer stärker abkapselt. Wenn man zu dieser Community vordringen will, dann stellt man erstaunt fest, dass viele nur schlecht Deutsch sprechen. Das Ausbildungsniveau ist nach wie vor katastrophal. Da haben wir alle in Österreich in hohem Maße versagt. Es muss sich etwas verändern, und das rasch, weil uns die Zeit davonläuft. Das war auch für mich ein ganz wichtiger Lernprozess. Was ich heute sage, hätte ich vor zehn Jahren noch nicht gesagt.
Herr Strache, bei den Wählerevidenzlisten liegen Pilz und die FPÖ weit auseinander. Gibt es in der Integrationsfrage eine Kooperation?
Strache: Einiges, was von Peter Pilz heute gesagt wurde, sind Zitate von mir aus den letzten 12 Jahren. Das freut mich. Weil ich von Ihnen oft genug als Hetzer bezeichnet wurde. In Wahrheit haben Sie nun viele Bereiche erkannt, die auch 1993 im Volksbegehren "Österreich zuerst" beinhaltet waren. Hätte man damals auf uns gehört, hätte man sich viele Fehlentwicklungen erspart. Durch die dramatische Entwicklung einer unkontrollierten Massenzuwanderung haben wir heute eine Situation, wo uns die Zeit in der Integrationspolitik davonläuft. Ich bin über den Lernprozess von Peter Pilz froh, und dass er offensichtlich auf den Zug freiheitlicher Themen aufgesprungen ist.
Pilz: Damit es kein Missverständnis gibt. Ich bin auf keinen freiheitlichen Zug aufgesprungen und ich werde auch niemals aufspringen. Mein Zugang ist ein völlig anderer. Sie schreien immer: Ich habe recht, ich habe recht. Mir geht es nicht ums Recht-Haben, sondern darum, das Richtige zu machen. Ich werde Mehrheiten für wichtige Reformen im Parlament suchen. Sie werden weiter nur Krach machen.
Strache: Jetzt geht es darum, sichtbar zu machen: Mit uns hat man die Garantie, dass auch die richtigen Umsetzungen passieren, damit diese Fehlentwicklungen abgestellt werden.
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