"War ein schweres Foul von Kern"

Sebastian Kurz und Christian Kern
SPÖ beschließt Anhebung des Uni-Budgets ohne ÖVP. Die Schwarzen planen Retourkutsche.

Es war eine Abstimmung, die nach einer Retourkutsche schreit. Zumindest aus der Perspektive der ÖVP. Und die könnte schon am Donnerstag folgen. Für ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling war es "ein schweres Foul des Kanzlers". Christian Kern (SPÖ) habe offenbar vor, "die Republik in das finanzielle Chaos zu stürzen". Auch Wissenschaftsminister Harald Mahrer war empört und sprach von "alter Politik".

Was war passiert? Im Nationalrat stimmte die SPÖ gemeinsam mit FPÖ, Grünen und NEOS für eine deutliche Anhebung des Uni-Budgets.Konkret wurde fixiert, den Unis für die Periode 2019 bis 2021 ein Plus von 1,35 Milliarden Euro zu gewähren, insgesamt 11 Milliarden Euro für die dreijährige Finanzierungsperiode. Ursprünglich war in der Koalition vorgesehen, diese Mehreinnahmen mit einer Studienplatzfinanzierung zu verbinden, die de facto striktere Zugangsregeln zur Folge gehabt hätte. Das war ein Punkt, auf dem die ÖVP beharrte.

"Nicht mehr gebunden"

Dem völlig überraschenden Beschluss ging ein wochenlanger Streit von SPÖ und ÖVP voraus: Grundsätzlich hatte man sich in der Koalition auf ein höheres Uni-Budget und Zugangsregeln für überlaufene Fächer geeinigt. Die ÖVP drängte auf einen raschen Beschluss, die SPÖ konterte, dass nur eine Begutachtung des Entwurfs bis Ende Juni ausgemacht war, nicht aber ein Beschluss. "Wir haben die Koalition ja nicht in die Luft gesprengt", verteidigte sich SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl damals.

Die Folge des roten Überdribblers: Die Stimmung in der Koalition mit Ablaufdatum ist am Tiefpunkt. Die ÖVP sieht er nun nicht mehr an das Versprechen gebunden, die SPÖ nicht zu überstimmen. Die Koalition ist nun auch auf Beschluss-Ebene geplatzt. Und: Für die ÖVP ist diese Manöver ein eindeutiges Indiz, dass "Rot-blau schon lange paktiert ist", so ein hochrangiger ÖVP-Politiker gegenüber dem KURIER. Stimmt nicht kontert die SPÖ. Denn bei dem Beschluss gingen auch Grüne und Neos mit.

Wie auch immer. Die Volkspartei wird sich diese Taktik sicher nicht gefallen lassen. Schon heute könnte das freie Spiel der Kräfte im Parlament nochmals zur Ziehung kommen. Es geht um das neue Wahlkampfthema "Pflegeregress". Beide Regierungsparteien wollen ihn abschaffen. Nur über das Wie ist man sich nicht einig.

Die SPÖ will schon heute im Nationalrat einen Antrag dazu einbringen – "mit oder ohne ÖVP", sagte Kanzler Christian Kern – und versucht, den Koalitionspartner aus der Reserve zu locken. Dort wird der Vorschlag, die notwendigen Millionen über eine Erbschaftssteuer gegenzufinanzieren, klar abgelehnt. Das Modell der SPÖ sei "Vollholler zur Potenz", sagte etwa ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, "in der Sprache des Kanzlers", und betonte: "Mit mir wird es keine neuen Steuern geben."

Nachdem die ÖVP im Parlament bei der Anhebung der Uni-Budgets überstimmt wurde, plant das Team rund um Kurz nun für die Abschaffung des Pflegeregresses ein Modell zu präsentieren, wo die ÖVP auf den parlamentarischen Beschluss gar nicht erst angewiesen ist. Wie das konkret ausschauen soll, wollte man vor der Parlamentssitzung nicht verraten.

Wenn die ÖVP nicht mit der SPÖ mit geht, welche Alternative bleibt Kern dann übrig? Mit den Mandataren der FPÖ käme die SPÖ auf 90 Stimmen, es fehlten noch zwei auf eine Mehrheit (insgesamt 183 Mandate), die die "wilden Abgeordneten" liefern könnten. Scheitern wird die Zustimmung der Blauen aber wahrscheinlich an einer Erbschaftssteuer als neue Goldader. Aus der SPÖ hieß es dazu am Mittwoch, die Erbschaftssteuer sei "nur eine von vielen Varianten", man sei für andere Vorschläge offen.

Die Grünen sind skeptisch, vermuten hinter der Initiative "Wahlkampfgetöse" und vermissen eine "seriöse Debatte". Die Neos sehen die "Gefahr, dass durch die Abschaffung Anreize gesetzt werden, pflegebedürftige Menschen früher als notwendig in Heime zu bringen", sagt Sozialsprecher Gerald Loacker. Die Kosten könnten ausufern. Nach derzeitigem Stand geht man von 200 Millionen Euro aus.

Eine positive Nachricht gab es am Ende dann doch noch: SPÖ und ÖVP haben das Fremdenrechtspaket beschlossen, das eine längere Schubhaft am Stück ermöglicht, eine Residenzpflicht für Flüchtlinge bringt und höhere Strafen bei Nichtausreise trotz aufrechten Bescheids.

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