Wahlwiederholung wahrscheinlich: Warum die Verfassungsrichter kaum eine Wahl haben

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes
Keine Gnade: Wenn bei der Auszählung in mehreren Wahllokalen manipuliert werden konnte, müssten die Richter erneut wählen lassen.

Nein, bisher ist kein einziger Fall einer Wahlmanipulation bei der Hofburg-Stichwahl ruchbar geworden. Bisher haben auch alle freiheitlichen Wahlbeisitzer für ihren Wahlbezirk jede Form der Manipulation ausgeschlossen. (Siehe Liveticker aus dem Verhandlungssaal des Verfassungsgerichtshofes.)

Nirgendwo sind plötzlich zusätzliche Stimmzettel aufgetaucht oder verschwunden. Niemand unter Druck gesetzt worden, niemand zu etwas gezwungen worden.

Dennoch wird es immer wahrscheinlicher, dass die Hofburg-Stichwahl zwischen dem Freiheitlichen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, dem Kandidaten mit grüner Unterstützung, wiederholt werden muss. Van der Bellen siegte denkbar knapp mit einem Vorsprung von rund 30.000 Stimmen.

Für den Verfassungsgerichtshof macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Nachweis einer Manipulation gelingt, oder nicht. FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer hat bisher auch gar nicht versucht, solch eine „smoking gun“ zu präsentieren, wonach eine Fälschung vorgekommen ist.

Eine Wiederholung der Stichwahl wird deshalb immer wahrscheinlicher, weil dem Verfassungsgerichtshof die Tatsache reicht, dass in vielen Wahlbehörden die Möglichkeit zur Manipulation gegeben war. Zum Beispiel weil kein einziges Mitglied der Wahlkommission beim Auszählen der Briefwahlstimmen anwesend war.

Der ehemalige Verfassungsgerichtshofspräsident Ludwig Adamovich präzisiert, welches Ziel das Höchstgericht verfolgt: „Es geht um die prinzipielle Frage, ob Rechtsvorschriften verletzt wurden, die dem Schutz eines ordnungsgemäßen Ablaufs dienen.“ Soll heißen: Schon wenn die Möglichkeit geschaffen wurde, im großen Stil zu schummeln, könnte das Grund genug für eine Wahlwiederholung sein.

Unbefugte, Ahnungslose

Wie sich bei der Zeugenbefragung bisher zeigte, wurden mancherorts die Stimmen durch Unbefugte ausgezählt, die Protokolle, wonach alles nach den Buchstaben des Gesetzes vollzogen wurde, dennoch unterschrieben. Dieses Prozedere wird sich wohl bei den meisten beanstandeten Wahlauszählungen wiederholt haben. Die FPÖ beanstandet Rechtswidrigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in 94 von 113 Bezirken. Bis Ende der kommenden Woche sollen 94 Zeugen den 14 Höchstrichtern Rede und Antwort stehen.

Bei einer Wahl in einem demokratischen Land darf es keinen Zweifel über das Ergebnis geben. Deshalb gibt es die Regelung, wonach nicht einfach Beamten, sondern eine Kommission, die sich aus Vertretern aller Parteien zusammensetzt, eine ordnungsgemäße Wahl an sich und die Auszählung der Stimmen bezeugen kann.

Es ist auch wahrscheinlich, dass die gelebte Praxis nicht erst bei dieser Stichwahl gesetzeswidrig war, und viele Politiker, nicht nur FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, davon wussten. Wie sich zeigt, haben die Freiheitlichen nur auf ein knappes Ergebnis gewartet, um die gelebte Wahlpraxis anzufechten.

Eine Wiederholungswahl, sollten die Verfassungsrichter diese wirklich für notwendig befinden, könnte frühestens Ende September, Anfang Oktober stattfinden.

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