Wahlverschiebungen wegen Terror, Erdbeben und Protesten

Wahlurne
In Österreich wird über eine Verschiebung der Hofburg-Wahl nachgedacht. International mag das keine Seltenheit sein - die Gründe sind allerdings unterschiedlich.

Angesichts der defekten Wahlkarten möchte die ÖVP die für den 2. Oktober angesetzte Hofburg-Wahl auf Mitte November verschieben. Für die zwei Präsidenschaftskandidaten - Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer - wäre dies bereits der vierte Anlauf, um in die Hofburg einzuziehen.

Aus derzeitiger Sicht bedarf es für eine Verschiebung allerdings einer Gesetzesnovelle, der zufolge die Bundesregierung eine entsprechende Verordnung erlassen kann, die anschließend vom Hauptausschuss des Nationalrats beschlossen werden muss. Diese könnte schon am Dienstag im Rahmen der Nationalratssondersitzung eingebracht werden.

Dass Wahlen verschoben werden, ist keine Seltenheit. Vor allem in Staaten, in denen Bürger mit Krieg und Terror konfrontiert sind, werden öfters neue Wahltermine festgelegt und Urnengänge gänzlich wiederholt. Hier ein kurzer Auszug zahlreicher Beispiele:

Haiti-Wahl wegen Erdbeben verschoben

Eigentlich waren die Wahlen des neuen Staatspräsidenten von Haiti, der Abgeordnetenkammer und der elf von insgesamt 30 Senatoren für den 28. Februar 2010 angesetzt. Wegen des schweren Erdbebens vom 12. Januar 2010, bei dem mehr als 250.000 Menschen ums Leben kamen, wurden sie jedoch auf das Jahresende verschoben. Nach weiteren Ungereimtheiten bei der Präsidentschaftswahl gab die Wahlkommission erst am 4. April 2011 bekannt, dass Michel Martelly das neue Staatsoberhaupt Haitis ist.

Nach fünf Jahren legte er verfassungsgemäß am 7. Februar 2016 sein Amt nieder – doch bis heute gibt es noch keinen Nachfolger. Die im Jänner geplante Stichwahl fand aufgrund von "Sicherheitsbedenken" nicht statt. Bereits der erste Wahlgang im Oktober 2015 war von massiven Fälschungen geprägt, wie eine unabhängige Prüfkommission Anfang des Jahres feststellte.

Nigeria: "Sicherheitsbedenken" wegen Boko Haram

Auch in Nigeria wurden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2015 wegen Sicherheitsbedenken kurzfristig um sechs Wochen verschoben. Statt am 14. Februar konnten die Bürger des westafrikanischen Landes erst am 28. März abstimmen. Das Militär begründete die Verschiebung mit einer Offensive gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram. Man konnte den Schutz der Wähler nicht garantieren, hieß es damals. Es wäre unverantwortlich gewesen, an dem ursprünglichen Termin festzuhalten.

Die für den 28. Februar vorgesehenen Gouverneurs- und Regionalwahlen in den 36 Bundesstaaten wurden ebenfalls zeitlich verlegt. International wurde die Verschiebung der Wahlen massiv kritisiert. Man vermutete einen "Vorwand für eine Behinderung demokratischer Prozesse" und warf der damaligen Regierung von Goodluck Jonathan politische Beeinflussung der Wahlkommission vor.

Muhammadu Buhari konnte sich allerdings trotz Wahlverschiebung gegen den amtierende Präsidenten durchsetzen.

Noch immer keine Wahl in Mazedonien

In Mazedonien wurden zwei Termine für eine vorgezogene Parlamentswahl 2016 wegen Boykottdrohungen von drei Parteien gekippt. Nach Auffassung der Wahlbehörde wäre am 24. April (1. Termin) und am 5. Juni (2. Termin) nur die Regierungspartei zur Abstimmung angetreten. Das Verfassungsgericht des Landes hatte deshalb den Wahlkampf unterbrochen - bis heute fand noch keine Wahl statt.

Die Abstimmung war Teil einer von der EU vermittelten Einigung, die den Westbalkanstaat vor einem Abgleiten ins politische Chaos bewahren sollte. Auslöser der Krise waren Vorwürfe der Opposition gegen den inzwischen zurückgetretenen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski (Nachfolger ist Emil Dimitriev). Er soll angeordnet haben, mehr als 20.000 Oppositionelle abzuhören. Präsident Gjorge Ivanov, der noch immer im Amt ist, erließ zudem eine Amnestie für mehr als 50 mutmaßlich in den Abhörskandal verstrickte Personen.

Tod eines Kandidaten führte zur Verschiebung

In Tansania war die Präsidentschafts- und Parlamentswahl wegen des Todes eines Kandidaten vom 30. Oktober 2005 auf den 18. Dezember verschoben worden. Der 65 Jahre alte Jumbe Rajab Jumbe kandidierte für das Amt des Vizepräsidenten, starb jedoch vier Tage vor der Wahl.

Der damals als Favorit gehandelte Außenminister Jakaya Kikwete von der Revolutionspartei holte sich erwartungsgemäß mit rund 80 Prozent der Stimmen den Sieg und regierte bis 2015 das Land in Ostafrika

Wahlverschiebungen wegen Terror, Erdbeben und Protesten
Tanzanian outgoing president Jakaya Kikwete reviews troops as he arrives to take part in his successor's swearing in ceremony in Dar es Salaam, on November 5, 2015. John Magufuli won in the October 25 poll with over 58 percent of votes cemented the long-running Chama Cha Mapinduzi (CCM) party's firm grip on power.. AFP PHOTO/Daniel Hayduk

Blutige Kämpfe vor und nach der Wahl

Im ostafrikanischen Staat Burundi wurden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die für den 5. Juni 2015 angesetzt waren, wegen anhaltender Unruhen um acht Wochen verschoben. Das Land steckte in einer tiefen politischen Krise, seit Präsident Pierre Nkurunziza April ankündigte, eine dritte Amtszeit anzustreben.

Die Opposition betrachtet dies als verfassungswidrig, weil nur zwei Amtsperioden vorgesehen sind. Doch allen Protesten und Einwänden gegen seine neuerliche Kandidatur zum Trotz hat Amtsinhaber Nkurunziza die Wahl gewonnen. Somit ist er seit dem Jahr 2005 durchgehend im Amt.

Wahlverschiebungen wegen Terror, Erdbeben und Protesten
Pierre Nkurunziza

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit der Wahl mindestens 240 Menschen getötet, mehr als 200.000 Menschen flüchteten außer Landes. Burundi hatte jahrzehntelang unter einem blutigen ethnischen Konflikt zwischen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit gelitten, der erst vor 13 Jahren beendet wurde. Er forderte 300.000 Tote.

Stimmzettel-Debakel auch in Köln

Einen ähnlichen Fall wie in Österreich – sofern es zu einer Verschiebung der Wahl kommt – findet man in der deutschen Stadt Köln. Die Wahl zum Oberbürgermeister konnte nicht wie geplant im Rahmen der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 13. September 2015 durchgeführt, sondern musste um einige Wochen auf den 18. Oktober verschoben werden.

Schuld daran waren Stimmzettel, weil darauf die Namen der Parteien deutlich größer gedruckt waren als die Namen der Kandidaten. Aus Sicht der Bezirksregierung wurden die parteilosen Bewerber damit benachteiligt – darunter die spätere Wahlsiegerin Henriette Reker, die einen Tag vor der Oberbürgermeisterwahl Opfer eines Messerattentats wurde. Der Täter hat aus fremdenfeindlichen Motiven gehandelt.

Wahlverschiebungen wegen Terror, Erdbeben und Protesten
Die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Die Wahl fand trotz des Angriffs wie geplant am 18. Oktober 2015 statt, da das Kommunalwahlgesetz nur beim Tod eines Kandidaten eine Verschiebung zulässt. Die bereits abgegebenen rund 55.000 Briefwahlstimmen für den Termin am 13. September wurden für ungültig erklärt. Alle 812.000 Wahlberechtigten benutzten die neuen Stimmzettel. Reker gewann mit 52,7 Prozent der Stimmen und erreichte damit die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit.

Nordirland: "Mangel an Klarheit" wegen IRA

Im Mai 2003 hat die britische Regierung die nordirische Regionalwahl verschoben. Die Wahlen waren bereits vom 1. auf den 29. Mai verschoben worden. Der Grund dafür war, dass die Sinn Féin-Partei, der "politische Arm der Untergrundorganisation IRA", nach Ansicht der britischen Regierung keine ausreichenden Zugeständnisse gemacht hatte, ob man der Gewalt für immer abgeschworen habe. Die damalige Premier Tony Blair forderte von der Organisation ein Bekenntnis zu völligem Gewaltverzicht und völliger Entwaffnung.

Wahlverschiebungen wegen Terror, Erdbeben und Protesten

Die für den 29. Mai geplanten Wahlen fand am 27. November statt. Dabei konnte die Protestantenpartei Democratic Unionist Party (DUP) die meisten Stimmen für sich verbuchen. Gleichzeitig errang die Sinn Féin-Partei mit rund 23 Prozent der Stimmen den zweiten Platz.

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