Zeitplan: Wann hat Österreich eine neue Regierung?

Wer wird wem die Hand reichen?
Nach der Nationalratswahl wird ÖVP-Chef Sebastian Kurz einen Regierungsauftrag erhalten. Anschließend werden Sondierungsgespräche stattfinden.

Nach der ersten Hochrechnung am gestrigen Wahlsonntag war klar, ÖVP, SPÖ und FPÖ werden sich die künftige Koalition unter sich ausmachen. Ob Türkis-Blau, Rot-Blau oder Türkis-Rot, darüber kann freilich nur spekuliert werden. Beobachter sprechen allerdings schon jetzt von einer "raschen Einigung" zwischen ÖVP und FPÖ, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache würden bereits in den Startlöchern stehen.


Der Live-Ticker nach der Wahl

Den berühmten Startschuss fällt aber der Bundespräsident. Alexander Van der Bellen wird wohl am Freitag ÖVP-Chef Kurz den Auftrag erteilen, eine Regierung zu bilden. Zuerst muss aber das Endergebnis inklusive Briefwahlstimmen vorliegen.

Wie lange dauert eine Regierungsbildung?

Im Schnitt dauerte die Regierungsbildung in der 2. Republik 60 Tage, bei den vergangenen Wahlen dauerte es aber jeweils länger, bis Österreich eine neue Regierung hat. Die Verhandlungen 1999 und 2002 endete jeweils in einer schwarz-blauen Koalition. Vor der Jahrtausendwende benötigte man dafür 124 Tage, drei Jahre später 96. Am längsten diskutierten aber ÖVP und SPÖ 1962. Damals benötigten die Verhandler 129 Tage.

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1970 wurde Klaus - in einem der ersten TV-Wahlkämpfe - von Bruno Kreisky (im Bild mit Heinz Fischer) abgelöst. 13 Jahre lang sollte der Sozialdemokrat regieren. Zahlreiche Anekdoten erinnern an Kreiskys Amtszeit, unter die weitreichende Reformen fallen sowie eine äußerst aktive Außenpolitik.

Im Gegensatz dazu: 1975 war die Bundesregierung unter Bruno Kreisky (Foto mit Heinz Fischer) bereits nach 23 Tagen beschlossene Sache. Der Sozialdemokrat hatte es bei den Verhandlungen freilich etwas einfacher als Kollegen vor ihm. Denn die SPÖ erreichte zum zweiten Mal nach 1971 die absolute Mehrheit, Kreisky feilschte mit Kreisky um die Ministerposten.

Nach der Nationalratswahl 2013 bekam der damalige SP-Chef Werner Faymann den Regierungsauftrag erteilt. Mit der ÖVP einigte man sich nach 78 Tagen auf ein Programm. Zuvor mahnte bereits Bundespräsident Heinz Fischer, dass eine Koalition noch vor Weihnachten zu bilden sei.

Wer wird dieses Mal koalieren?

Vieles spricht für eine türkis-blaue Koalition. Nicht nur dass die Parteien inhaltlich beinahe deckungsgleich sind. Stimmen innerhalb der SPÖ protestieren gegen einen neuen Pakt mit der ÖVP. Mit den Türkisen gehe nichts weiter. Mit den Freiheitlichen zu koalieren kommt für viele Sozialdemokraten auch nicht in Frage. Als grundlegend wird stets die Vranitzky-Doktrin betont. Ein Bündnis mit der FPÖ auf Bundesebene wird ausgeschlossen. Auf Landesebene sei sie hingegen möglich - wie eben im Burgenland, wo seit 2015 die SPÖ mit der FPÖ regiert.

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Am Wahltag ließen sich aber keine Parteiobmänner in die Karten schauen. VP-Chef Kurz sagte, dass er Gespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien führen werde ehe es an konkrete Koalitionsverhandlungen gehe. FPÖ-Obmann Strache stieß in dasselbe Horn und replizierte, dass man sich selbst "immer treu sein werde", auch in der Opposition. Von SPÖ-Chef Christian Kern war nach Wahlschluss wenig von einer Regierungsposition zu hören. Zwischen den Zeilen verabschiedeten sich manche rote Minister von ihren Posten.

Wie sieht es mit Rot-Blau aus?

Eine solche Konstellation gab es bisher nur einmal von 1983 bis 1986 unter den roten Bundeskanzlern Fred Sinowatz und Franz Vranitzky und dem blauen Vizekanzler Norbert Steger. Wäre 31 Jahre nach dem Regierungsbruch eine rot-blaue Koalition möglich? Die FPÖ sagt, man sei bereit, mit allen zu sprechen. Burgenlands Vize-Landeshauptmann Johann Tschürtz (FPÖ) erklärte dem KURIER, dass das pannonische Modell auch auf Bundesebene durchaus möglich wäre. "Warum nicht? Im Burgenland funktioniert es", sagte er.

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ABD0161_20150603 - EISENSTADT - ÖSTERREICH: ZU APA0600 VOM 3.6.2015 - (v.l.) FPÖ-Landesparteiobmann Johann Tschürtz und Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) am Mittwoch, 3. Juni 2015, während einer PK anl. von Koalitionsverhandlungen in Eisenstadt. - FOTO: APA/CHRISTIAN GMASZ

Im SPÖ-Partyzelt hielten sich vor allem Gewerkschafter die Option mit den Blauen offen. In die Opposition zu gehen, sei "Mist", betonte SP-Landeshauptmann Hans Niessl bereits vor der Wahl. Das Parteipräsidum äußerte am Montag den Wunsch, dass man sowohl mit der ÖVP als auch mit der FPÖ Gespräche aufnehmen sollte.

Aber wie gesagt: Der Bundespräsident wird den Wahlsieger Sebastian Kurz mit der Regierungsbildung beauftragen. Er wird mit den Sondierungsgesprächen beginnen.

Wann haben wir eine neue Regierung?

Wirklich amtlich wird das Wahlergebnis der Nationalratswahl im Zuge einer Sitzung der Bundeswahlbehörde am 31. Oktober. Die konstituierende Sitzung des neu zusammengesetzten Nationalrats findet am 9. November statt. Hielte sich der voraussichtliche neue Regierungschef Sebastian Kurz an die bisherige durchschnittliche Regierungsbildungsdauer von 60 Tagen, dann hätte Österreich am 14. Dezember eine neue Bundesregierung.

Wie bereits berichtet, könnte die Regierung schneller gebildet werden. Wenn Kurz das ehrgeizige Ziel haben soll, den Kreisky-"Rekord" von 23 Tagen einzustellen, müsste die Regierung bis 6. November stehen.

Was passiert mit der alten Regierung?

Die amtierende Regierung mit Bundeskanzler Kern an der Spitze wird am Dienstag dem Bundespräsidenten wie traditionell üblich ihren Rücktritt anbieten. Van der Bellen wird dies ebenso wie üblich ablehnen und Kern und dessen Minister auffordern, die Geschäfte bis zur Angelobung einer neuen Regierung fortzusetzen. Danach folgt der traditionelle Gang über den Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei.

Was machen derweil die Parteien?

Diese Woche wird eine Reihe von Gremiensitzungen abgehalten, um ihre Schlussfolgerungen aus der Wahl zu ziehen und die weitere Vorgangsweise abzustimmen. SPÖ, NEOS und Liste Pilz tun dies am Montag, die Gremien der ÖVP tagen am Dienstag, jene der Freiheitlichen wohl ebenfalls am Dienstag. Der Grüne Bundesvorstand tritt am Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen, für Freitag ist ein Erweiterter Bundesvorstand geplant, bei dem es - im Falle des Ausscheidens aus dem Parlament - ans Eingemachte gehen könnte.

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