Silberstein-Affäre: Wofür die SPÖ 536.000 Euro bezahlt hat

Christoph Matznetter.
Die Veröffentlichung des Vertrags lässt die wichtigsten Fragen der Affäre weiter offen.

Christoph Matznetter hat nicht viel, aber zumindest hat er ein paar Zahlen. Und eine der wichtigsten ist diese hier: 131.250 Euro.

So hoch beziffert die SPÖ vorerst den finanziellen Schaden, der ihr durch die Beratung von Tal Silberstein entstanden ist.

Überflüssig zu erwähnen, dass der politische Schaden der Affäre längst nicht behoben ist.

Silberstein-Affäre: Wofür die SPÖ 536.000 Euro bezahlt hat
Kurier
Doch zurück zu den 131.250 Euro: Das ist jener Teil von Silbersteins bereits überwiesenem Honorar von insgesamt 536.000 Euro, den die SPÖ von dem israelischen Politik-Berater wieder zurückhaben will – immerhin hat sie ihn ja frühzeitig, nämlich nach dessen Kurzzeit-Verhaftung im August 2017, als Berater gefeuert.

Am Donnerstag, dem sechsten Tag nach Auffliegen der Affäre, versuchte die SPÖ ein wenig in die Offensive zu kommen.

Neo-Bundesgeschäftsführer Matznetter präsentierte den Bericht eines Wirtschaftsprüfers und legte den Vertrag der SPÖ mit dem Politik-Berater offen.

Die Öffentlichkeit weiß damit, dass Silberstein über längere Zeit für ein ausnehmend umfangreiches Portfolio in der SPÖ zuständig war: Umfragen, strategische Planung, Trainings, "War-Room"-Management, Medienbeobachtung, Vorbereitung auf TV-Debatten sowie Krisenmanagement, werden im Vertrag (hier online) als Leistung definiert.

Auf die wirklich spannenden Fragen, die sich in der Causa stellen, geben die nunmehr zugänglichen Dokumente freilich weiterhin kaum Auskunft.

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Wer in der SPÖ hat davon gewusst, dass Silberstein mit einem kleinen, von Peter Puller angeführten Team aus "Kampagnen-Söldnern" untergriffige Facebook-Seiten betrieben hat?

Und wer sind die Mitarbeiter, die interne eMails, strategische Konzepte, kurzum: sensible Betriebsgeheimnisse ausplaudern und kurz vor der Wahl an die Öffentlichkeit bringen?

Matznetter und die SPÖ-interne "Task Force" können hier nur mutmaßen.

Faktum ist, dass jene Mitarbeiter, die die teils rassistischen und antisemitischen Facebook-Seiten betrieben haben, in den Verträgen mit Silberstein nicht erwähnt sind – sie dürften als "Sub-Unternehmer" für den Israeli gearbeitet haben.

*Aktualisierung: Peter Puller sorgte am Donnerstag für die nächste Wende in der ohnehin schon unübersichtlichen Causa. Die ÖVP hätte ihm 100.000 Euro geboten für Infos aus der SPÖ, sagte Puller - mehr dazu hier.

Tätige Reue

Was also tun? Matznetter setzt vorerst auf die Arbeit der Rechtsanwälte.

Die Roten versuchen mit verschiedenen Mitteln (Anzeigen nach dem Mediengesetz, Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, Anzeige beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) möglichst rasch herauszufinden, wer genau hinter den Dirty-Campaigning-Seiten "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern" steckt.

Paul Pöchhacker, also jenem SPÖ-Mitarbeiter, der davon gewusst hat, dass Silberstein und sein Team hinter den Kurz-Schmuddel-Seiten stecken, und den die Partei vorübergehend suspendiert hat, reichte Matznetter wie auch anderen insofern die Hand, als er Milde bei allfälligen Schadenersatz-Klagen andeutete. Matznetter: "Gegen Personen, die tätige Reue zeigen und zur Aufklärung beitragen, werden wir weniger scharf vorgehen."

>>> Kern im Doppelpack: "Wir weichen keinen Millimeter"

536.000 für Silberstein

Im Herbst 2016 bekam Kanzler Christian Kern einen Tipp für TV-Auftritte: „Denken Sie immer daran, wer die Leute sind, für die Sie kämpfen, und was Sie für sie erreichen wollen.“ Und: „Sprechen Sie über sich nie in der dritten Person“. Urheber dieser Ratschläge, die den SPÖ-Chef auf einen Wahlkampf vorbereiten sollten: Tal Silberstein, der umstrittene Berater der SPÖ – dessen Machenschaften die rote Kampagne letztlich zum Einsturz brachten. Wie seine Arbeit für Kern begann, zeigen nun aufgetauchte eMails.

Darin scheint auch jene Dolmetscherin auf, die in der SPÖ als mögliche Quelle für die aufgeflogenen Kampagnen-Interna gilt: „Da A. ab nächster Woche mit der Vollzeit-Arbeit für Dich beginnen wird, hab ich sie hier auf den Verteiler gesetzt, damit sie langsam einsteigen kann“, heißt es in einem Schreiben der Terminkoordinatorin des Kanzlers an Silberstein, das auch an den Kabinettschef von Kern ging. Ebenfalls am Verteiler: Jener inzwischen suspendierte Mitarbeiter der SPÖ-Zentrale, der als Verbindungsmann zur späteren Schmutz-Einheit Silbersteins gilt.

Auch Termine zwischen Silberstein, Kern, einer Agentur und Kanzleramtsminister Drozda wurden in den Mails vereinbart. Brisant: Silberstein wollte auch mit dem ÖGB arbeiten, die Gewerkschafter lehnten jedoch ab.

Pikant sind die von der Austria Presse Agentur veröffentlichten Mails auch wegen des Verhältnisses zwischen Kanzleramt und ORF. Weil ein Bürgerforum mit Kern und dem damaligen ÖVP-Chef Mitterlehner Ende 2016 danebenging, war der Kanzler sauer auf den Sender.

ORF-Bashing

Überlegt wurde ein Quasi-ORF-Boykott und verstärkte Präsenz im Privat-TV. Der Ratschlag des Kommunikationschefs von Kern an ihn: „Es bringt nichts, 2 Wochen rumzuzicken – Verhaltensänderungen produzieren wir nur durch Konsequenz. Damit ist aber auch klar: Neuwahlen sind erst möglich, wenn wir (wieder) ein geordnetes, vernünftiges Verhältnis mit dem ORF haben.“

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