Sebastian Kurz: Wenn der Sonnyboy kurz Nerven zeigt

Kurz mit seinem Team in New York: Der jährliche Auftritt beim UNO-Gipfel ist bereits lockere Routine
Auf der Weltbühne ereilen Sebastian Kurz lästige Nachrichten aus Wien – eine teilnehmende Beobachtung.

Sebastian KurzPolitik-Woche spielte bis gestern fast ausschließlich in New York – sie wurde unerwartet zu einem Versuchslabor für die Frage: Wie geht der möglicherweise nächste Bundeskanzler mit unangenehmen Überraschungen und Krisen um?

Seine Auftritte samt Rede vor der Generalversammlung absolvierte er einmal mehr routiniert und pannenfrei– und stets auf das mediale Scheinwerferlicht bedacht. Heinz Fischer hatte in seinen zwei Amtsperioden am Rande des jährlichen Gipfeltreffens der Staatschefs und Spitzendiplomaten zu Herbstbeginn in New York auch informelle Kontakte gepflegt. So stand Jahr für Jahr auch ein Lunch oder Dinner mit dem legendärem alten Mann der US-Außenpolitik Henry Kissinger auf dem Kalender. Diesen prestige-trächtigen Termin hat nicht der neue Hausherr in der Hofburg, sondern das Team Kurz übernommen. Bei Kissinger geben sich dieser Tage Spitzenpolitiker aus aller Welt die Klinke in die Hand. Vor drei Jahren brachte es Kurz nur zu einem Foto am Rande eines Empfangs. Heuer empfing der 94-jährige, der geistig noch voll fit ist, den 31-jährigen ÖVP-Hoffnungsträger medienwirksam zu einem 45-minütigen Vier-Augentermin.

Erst verärgert, dann nachdenklich

Dafür, dass er in knapp drei Wochen erstmals alleinverantwortlich am Prüfstand der Wähler steht, wirkte Kurz in den mit Terminen durchgetakteten Tagen in New York wie immer: Höflich bemüht, fokussiert, aber nicht unentspannt. Der Wahlkampf hat nur mit einer hartnäckigen Verkühlung Spuren hinterlassen. Ob er deswegen einen Tag früher als geplant abreiste, oder ob es die neuen Ärgernisse aus Wien waren, weiß nur er selbst.

Die Van der Bellen & Kurz begleitende Journalistendelegation konnte jedenfalls durch einen Zufall live mitverfolgen, wie Kurz auf Krisensituationen reagiert. Bei einem mittäglichen Medien-Briefing sollte es eigentlich um die Trump-Rede und andere UNO-Themen gehen. Da ereilte ihn und die Journalisten gleichzeitig die Nachricht, dass in Wien neue "Geheimpapiere" geleakt wurden, die belegen sollen: Kurz’ Machtübernahme in der ÖVP sei schon 2016 geplant worden – das allein wäre weder neu noch überraschend. Ende August präsentierte FPÖ-Chef Strache erstmals entsprechende interne ÖVP-Papiere. Die Blauen, die unter dem Kurz-Hype am Wählermarkt am meisten leiden, haben höchstes Interesse, das Helden-Image von Kurz zu erschüttern.

Neu und höchst fragwürdig war aber dieser Umstand: Bis dato hatten Kurz’ Sprecher eisern behauptet, man würde die Papiere nicht kennen, mehr noch: Es könne sich um Fälschungen handeln. Neue Dokumente sollen nun belegen, dass zumindest drei Mitarbeiter aus dem Kurz-Kabinett an den Plänen mitgeschrieben haben.

Kurz spricht das Thema nicht von sich aus an und wirkt bei allen Fragen dazu leicht genervt. Offiziell kommentieren will er die Causa nicht. Er lässt sich auch im Hintergrundgespräch auf keine längere Debatte über Inhalt und Herkunft der Papiere ein, sondern schlüpft in die Opferrolle: Die von der FPÖ angezündete Debatte werde nun schon zum dritten Mal mit fast gleichbleibendem Inhalt zum Skandal hochgespielt. Auf das Argument, dass die ÖVP mit ihren vagen Dementis weitere Veröffentlichungen provoziert haben könnte, will sich Kurz nicht einlassen.

Öffentlich nicht kommentieren will er auch den Vorhalt: Einer Partei, die sich als offene Bewegung positionieren will, wäre es wohl besser angestanden, zu sagen, was Sache ist: Nona haben wir uns vorbereitet. Alles andere hätte wohl als Harakiri mit Anlauf geendet. Denn dass in der ÖVP immer mehr maßgebliche Funktionäre Kurz und nicht Mitterlehner an der Parteispitze sehen wollten, war auch für die breite Öffentlichkeit definitiv kein Geheimnis.

Mit jedem neuen "Geheimpapier", das sie als feindliches Störmanöver abzutun versucht, wirkt die Kurz-Truppe nun so wie ein beim Schummeln ertappter Vorzugsschüler.

Kurz wirkte, sobald der erste Ärger über die Störgeräusche aus Wien verflogen war, zunehmend nachdenklich, ließ sich aber weiterhin nicht aus der Reserve locken.

Morgen, Samstag, ist die nächste Gelegenheit zu sehen, ob Kurz die Causa doch noch offen anspricht oder weiter auf "Luken dicht" setzt. Die ÖVP läutet in der Wiener Stadthalle vor rund achttausend Anhängern die Schlussphase des Wahlkampfs ein. Mittwoch Abend sagt Kurz in New York auf die Frage, wie weit er mit der Vorbereitung des größten Publikums-Auftritts vor der Wahl sei: Er habe seine rund 20-minütige Rede erst in Bruchstücken im Kopf.

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