Vranitzky mahnt mehr "Respekt" und "Besinnung auf Werte" ein

Altbundeskanzler Franz Vranitzky
80. Geburtstag. In seinem neuen Buch plädiert der Ex-Kanzler für eine sachliche Debattenkultur und begründet seine "Abneigung" gegen Jörg Haider.

"Zurück zum Respekt" – das verlangt Franz Vranitzky in seinem neuesten Buch, das heute, Freitag, in Wien präsentiert wird. Beziehungen respektvoll zu führen, das verlangt auch einiges: Haltung, Verlässlichkeit, Vernunft und innere Stärke. "Besinnung auf ein paar Werte", sagt der ehemalige Bundeskanzler (1986 bis zu seinem freiwilligen Rücktritt1997). Respekt ist für ihn auch die Voraussetzung, um das globalisierte Leben zu gestalten und fair miteinander umzugehen. Was politisch schäbig und persönlich inakzeptabel, nämlich respektlos ist, zeigt er anhand einiger Beispiele auf. Ihm missfällt, dass es bei uns keine Debattenkultur gibt. Alles wird zum Streit hochstilisiert, befördert von Boulevard-Medien und Politikern, die "nach Schlagzeilen lechzen". Kein Verständnis hat er für die von der ÖVP initiierte Broschüre, die Bundeskanzler Kern mit Hammer und Sichel am Titelblatt zeigt. Ebenso lehnt er die Aussage Kerns ab, der die Meinung eines Ministers (Sebastian Kurz, Anm.) als "Vollholler" qualifizierte. Sein Fazit: "Die rot-schwarze Regierungskoalition hat momentan keinen guten Ruf."Der Blick Vranitzkys reicht aber über die Innenpolitik hinaus. Aus seiner Zeit in der Finanzwirtschaft hat er viele Freunde in den USA, die meisten Republikaner. Seit Jahren verfolgt er den immer stärker werdenden Rassismus in der US-Gesellschaft, Trump ist ein Ventil für den tiefen Hass vieler Amerikaner auf das Fremde. "Die Attacken von Trump gegen missliebige Konkurrenten und Journalisten, vorzugsweise Frauen, stellen einen absoluten Höhepunkt der weltweiten Entwicklung zur persönlichen Respektlosigkeit dar."

Vranitzky mahnt mehr "Respekt" und "Besinnung auf Werte" ein
Buchcover Franz Vranitzky Zurück zum Respekt

Pikanter Haider-Anruf

Vranitzky erzählt auch über respektloses Verhalten ihm gegenüber. Ein pikanter Vorfall: Vor dem Parteitag der FPÖ im Herbst 1986, kommt ein Anruf von Jörg Haider. "Wir haben demnächst einen Parteitag in Innsbruck, und ich werde Obmann", erklärte Haider. "Tun wir zwei jungen, dynamischen eh dann miteinander weiter?" Vranitzky überlegte nicht lange: "Ich habe ein Regierungsbündnis mit Norbert Steger. Ich kann unmöglich hinter seinem Rücken jetzt schon eine Vereinbarung treffen. Warten wir die Wahl ab." Haider erzählte dann am Parteitag jedem, er hätte mit Vranitzky schon alles vereinbart. "Das war einer der persönlichen Gründe für meine Abneigung gegen eine Regierungsbeteiligung Haiders." Die Erfahrungen als langjähriger Politiker und seine Erinnerungen machen das Buch besonders lesenswert. Vranitzky klärt auf, agiert nicht mit dem Zeigefinger. In seltener Offenheit legt er aus Anlass seines 80. Geburtstages ein Manifest für mehr Respekt, und damit auch für mehr Humanität, vor.

Kommentare