Verquickung von EU-Vorsitz und Wahl könnte Österreich schaden

Sebastian Kurz, Christian Kern: Wahlkampfschatten über EU-Politik
Wenn die EU-Politik in den Wahlkampf hinein gezogen wird, könnte das Ansehen der Republik darunter leiden.

Österreich hat im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Vorsitz inne. Im zweiten Halbjahr 2018 stehen in Österreich aber auch Nationalratswahlen auf dem Kalender.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass eine Verquickung von EU-Vorsitz und Nationalratswahlkampf dem Ansehen der Republik Schaden zufügen könnte. Der Grund: Die beiden wichtigsten Europa-Politiker des Landes, Kanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz, werden sich aller Wahrscheinlichkeit als Spitzenkandidaten im Wahlkampf gegenüber stehen. Da besteht der begründete Verdacht, dass der EU-Vorsitz zum Parcours für Wahlkampfauftritte gerät.

Die ersten Scharmützel beginnen bereits. Am Dienstag vor dem Ministerrat gab es eine längere Aussprache zwischen dem Kanzler und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. General-Thema: Wie kann die Koalition wieder zu einer vernünftigen Arbeitsweise kommen? Im Zuge dessen wurde eine Reihe von Spezialthemen besprochen. Unter anderem brachte der Kanzler die Haltung der Regierung zur anstehenden EU-Reform zur Sprache. Dem Vernehmen nach forderte Kern, dass Außenminister Kurz bei seiner angekündigten EU-Hauptstadt-Tour im Namen Österreichs Reformvorschläge vertreten müsse, die von der gesamten Regierung getragen werden. Es dürfe nicht die Situation entstehen, dass der Außenminister zu seinen EU-Amtskollegen das eine sage, und der Kanzler im Rat der Staats- und Regierungschefs das andere.

Tatsächlich ziehen Kanzler und Außenminister bei der Frage, wohin sich Europa entwickeln solle, in unterschiedliche Richtungen. Von den fünf Vorschlägen von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker tendiert der Kanzler zu Nummer drei – dem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Da wird frei gestellt, welches Land bei welchen Integrationsschritten mitmachen will – wie derzeit bei Euro oder Schengen.

Kurz präferiert die Nummer vier – Weniger Europa, aber dafür besser. Demnach soll die EU die Zusammenarbeit bei Sicherheit und Außenpolitik verstärken, dafür weniger essenzielle Themen an die Nationalstaaten zurück verlagern.

Fertige Konzepte hat derzeit noch keiner der beiden, sie werden gerade erarbeitet. Kurz hat den Experten im Außenamt den Auftrag dazu erteilt, für Kern erarbeitet Infrastrukturminister Jörg Leichtfried an einem "Plan E". Beide Konzepte sollen Ende März vorliegen.

Im Außenministerium wird betont, Sebastian Kurz komme schlicht und einfach seiner Aufgabe laut Ministeriengesetz und Regierungspakt nach, wonach er als Europaminister für EU-Belange zuständig sei und ja auch über den entsprechenden Expertenstab verfüge. Es sei von Beginn an geplant gewesen, dass er das Konzept der Regierung vorlegt, bevor er damit auf EU-Tour geht.

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