Regierung neu: Viel Rauch um wenig

Regierung neu: Viel Rauch um wenig
Rot-Schwarz denkt totales Rauchverbot in Lokalen an. Die Wirtschaftskammer sagt Njet. Streit gibt es bei Frauenpensionen.

Übereingekommen sind sich die Regierungsverhandler im Gesundheitsbereich, künftig soll es ein totales Rauchverbot in Lokalen geben. Bei den Lehrern bestehen noch Differenzen und bei Pensionen ringen ÖVP und SPÖ noch darum, wann das Antrittsalter für Frauenpensionen angehoben wird.

Neben der Einigung auf ein Bonus/Malus-System hat man sich in der Verwaltungsgruppe auch auf einen Automatismus verständigt. Geschnürt wurden Maßnahmenpakete im Pensionsbereich, die bei Verfehlung von Pensionszielen (etwa dem erwünschten Anstieg des Antrittsalters) automatisch in Kraft treten. Die Folge: Steigt das Pensionsantrittsalter nicht wie erwartet, wird das Frauenpensionsalter ab 2019 automatisch schrittweise angehoben. Bisher war eine Angleichung an das Männerpensionsalter erst ab 2024 vorgesehen.

Ab wann der Automatismus in Kraft tritt, ist zwischen ÖVP und SPÖ-Verhandlern offen , die ÖVP will früher anheben, die SPÖ ist dagegen, das wird zur Chefsache ebenso wie ein Teil des geplanten Bonus/Malus-Systems. Während sich die Verhandler über Bonus/Malus bei Arbeitnehmern einig sind, ist der Malus für Arbeitgeber weiter umstritten. Einig ist man sich aber bei einer dritten Reform: Eine „Teilpension“ soll den schrittweisen Abschied vom Arbeitsleben für Arbeitnehmer erleichtern.

Ein Ergebnis können die Gesundheitsverhandler vorweisen: Rauchen soll in allen Wirtshäusern untersagt werden. So wie es in vielen EU-Ländern (Italien, Irland) längst Usus ist. Noch nicht geklärt sei, wie viel Zeit den Gastronomen gegeben werde, um die Räumlichkeiten zu adaptieren; zwei bis fünf Jahre könnten es sein. Offen ist, in welchem Ausmaß Wirte für Investitionen in Raucherräumen entschädigt werden. Eine Variante: Vorzeitige Steuerabschreibung.

Die Chefverhandler bei „Soziales“, die Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP), würden ein flächendeckendes Rauchverbot goutieren, wurde dem KURIER versichert. In Mitterlehners Büro und im Gesundheitsministerium von Alois Stöger hieß es, man habe sich noch nicht geeinigt.

Stöger hatte im September im KURIER plädiert, das Rauchen in keinem Lokal mehr zu gestatten. Mitterlehner ist Wirtschaftsbündler und Ex-Generalsekretär der Wirtschaftskammer. Seine Nachfolgerin, Anna Maria Hochhauser, verwahrt sich via KURIER gegen ein Totalverbot: „Das ist für uns nicht denkbar. Es geht um Planbarkeit und das Vertrauen der Unternehmer in die Politik. Die Frist für Umbauarbeiten endete erst 2011. Unsere Betriebe haben zwischen 95 und 100 Mio. € investiert. Sie haben im Vertrauen auf gültige Gesetze investiert. Die Abschreibung bei baulichen Investitionen geht über Jahrzehnte.“ Ein Verhandler glaubt trotz Widerstands an eine Lösung.

Zuletzt haben steirische Koalitionäre gedrängt, rauchen in der Gastronomie zu verbieten. Sie ersuchten Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger, die Causa zu bereden. Ein Totalverbot sei „höchst an der Zeit“, sagt Markus Zelisko, SPÖ-Gesundheitssprecher. „Der typisch österreichische Weg, da ein bisserl rauchen, dort ein bisserl nicht rauchen, bietet keine Rechtssicherheit.“ Seine ÖVP-Kollegin Barbara Riener sagt: „Es ist Aufgabe des Staates, Menschen vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen.“

Der Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Fritz Neugebauer, fordert die Regierung auf, das neue Lehrerdienstrecht zu überdenken. Den Protest der Lehrer gegen die Regierungspläne verteidigte der ÖVP-Politiker mit Blick auf die in Summe sinkende Lebensverdienstsumme. "30 Prozent mehr Arbeit uns insgesamt weniger Geld, das wird niemand verstehen", sagte er am Samstag im Ö1-Mittagsjournal.

Universitär ausgebildete Lehrer würden im neuen Dienstrecht 200.000 bis 300.000 Euro verlieren und sollten trotzdem mehr unterrichten. "Ich würde mir wünschen, dass nach 35 Gesprächsrunden die Regierung einmal die Demut aufbringt, in sich zu geben und zu überlegen, ob das Projekt, so wie es aufgesetzt ist, adäquat ist", forderte Neugebauer. Es handle sich nur um ein "Sparprogramm". Eine Erhöhung der Lehrverpflichtung werde aber ohne zusätzliches Personal nicht möglich sein.

Eingestanden wurde von Neugebauer zwar, dass der "Bedarf aus der Gesellschaft" für ganztägige Schulformen gegeben sei. Hier werde man aber "ein bissl mehr Geld aufstellen" müssen. Keine Festlegung gab es von ihm zum Streitthema bei den Koalitionsverhandlungen, der "Verländerung" der Bundeslehrer: Er sei nicht für populistische Festlegungen, sondern: "Wenn sich etwas qualitativ verbessert und preisgünstiger wird, dann: machen wir es."

Was seine persönliche Zukunft angeht, deutete Neugebauer einen absehbaren Rückzug von der Gewerkschaftsspitze an: "Den Horizont sehe ich schon." Und: "Wir haben für die Nachfolge außerordentlich gut gesorgt." Politikerpension wird er nach eigenen Angaben keine erhalten, sondern (nach seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat) ab 1. Dezember eine Pension als Hauptschullehrer von 2741 Euro netto. Die geplante Kürzung von "Luxuspensionen" wird seinen Angaben zufolge nicht für Beamte gelten: "Ich glaube, kein Beamter wird unter Luxuspensionen fallen." Bei der nächsten Beamten-Gehaltsrunde sollen Bundes- und Vizekanzler mit einbezogen werden.

Vor zehn Tagen überreichten die Landeshauptleute der künftigen Bundesregierung ein Forderungspapier. Tenor: Man sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Als Beispiel nannte Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner den Bildungsbereich.

Nicht einmal zwei Wochen später scheint die Forderung durchgesetzt. Mehrere Quellen behaupten, dass die Bundesländer künftig Dienstgeber aller Lehrer werden und damit vom Bund die rund 40.000 AHS- und BMHS-Pädagogen übernehmen könnten. Derzeit sind nur die rund 80.000 Pflichtschullehrer beim Land angestellt. Der Vorteil der Reform: Der Bund würde nur noch die Lehrpläne vorgeben, die Verwaltung könnte deutlich verschlankt werden.

SPÖ-Beamtenministerin (und wohl künftige Bildungsministerin) Gabriele Heinisch-Hosek ist aber dagegen: „Ich kann mir eine Verländerung der Verwaltungszuständigkeit für Lehrer nicht vorstellen“, sagte sie Freitagabend. Vorstellbar wäre bloß die Errichtung gemeinsamer Bildungsdirektionen mit den Ländern.

Die Sache hat nämlich einen Pferdefuß: Zahlen soll die Lehrer weiter der Bund – schließlich haben die Länder kaum eigene Steuereinnahmen. In der zuständigen Verwaltungsgruppe ist man daher skeptisch, ob der Länderwunsch auch von der Finanzgruppe der Koalition abgesegnet wird. Zudem sei Bedingung, dass die Länder in der Verwaltung sparen – und etwa alle Bezirksschulräte streichen.

Eine Verschiebung der Kompetenzen war mehrfach angedacht, etwa beim Verfassungskonvent 2004. Franz Fiedler, damals Präsident, sagt: „Das ist genau der falsche Weg. Wir wollten, dass Gesetzgebung und Vollziehung beim Bund sind, damit ein Gleichklang in ganz Österreich für alle Schulen gewährleistet ist.“

Für eine Änderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Die FPÖ ist skeptisch, die Grünen sind klar gegen eine „Provinzialisierung“. Auch bei den Regierungsparteien gibt es Skeptiker: „Dann hätte jedes Land sein eigenes Dienstrecht“, warnt ein Roter. Und Fritz Enzenhofer, VP-Landesschulrat in OÖ, sagt: „Wenn das Unterrichtsministerium nur noch Lehrpläne verordnen kann, ist es ein Mini-Ministerium.“

SPÖ und ÖVP haben am 29. September die 50-Prozent-Marke um nur mehr 0,8 Punkte übersprungen. Man möchte meinen, sie hätten das Signal der Wähler verstanden und würden jetzt eine wirkliche Reformpartnerschaft zimmern. Stattdessen wächst unter Verhandlern der Frust – vor allem in der ÖVP. Der Ärger der ÖVP richtet sich gegen die SPÖ: „Da werden Papiere mit Forderungen übergeben, als gäbe es kein Budgetproblem.“ So soll die SPÖ im Pensionsbereich, wo eine Lücke von acht Milliarden klafft, Zusatzforderungen von fünf Milliarden erhoben haben. Sparvorschläge seien hingegen rar. Als typisch für das mangelnde Problembewusstsein wird die Aussage eines Spitzen-SPÖlers herumgereicht: „Jetzt schau’ mal mal, dass ma a Regierung z’sammbringen. Das mit dem Budget ist sich noch immer ausgegangen.“Das Zieldatum, die neue Regierung am 17. Dezember dem Nationalrat zu präsentieren, gilt in der ÖVP zunehmend als unerfüllbarer Wunschtraum. Ein schwarzes Regierungsmitglied spricht gar bisher Unaussprechliches aus: „Wenn das so weitergeht, bin ich dafür, dass wir in Opposition gehen.“ Ein Emotionsausbruch nach einer Verhandlungswoche? „Nein, es gibt eine wachsende Gruppe in der ÖVP, die das genauso sieht. Wenn ich schätzen muss, wie groß sie ist, dann würde ich sagen, sie macht im Bundesparteivorstand derzeit zwischen einem Viertel und einem Drittel der Mitglieder aus.“ Und dann? „Den Auftrag zur Regierungsbildung hat die SPÖ: Dann soll sie sich von Fall zu Fall Mehrheiten im Parlament suchen.“

Absolutes Minimum

Von insgesamt sechs ÖVP-Verhandlern hat der KURIER etwa gleichlautende Schilderungen erhalten. „Das wird nichts mit der Reformregierung. Die werden wieder nur das absolute Minimum machen“, fasst einer der Gesprächspartner seine bisherigen Erfahrungen in den Verhandlungen zusammen.

Der Frust unter den Schwarzen ist so groß, dass sogar eine Art gedankliche Flucht aus Ministerämtern stattfindet. So soll Wirtschaftskammerboss Christoph Leitl seine Lust aufs Regieren verloren haben, weil abzusehen sei, dass große Reformen nicht durchzubringen sind. Auch ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz soll ernsthaft damit liebäugeln, ins Parlament zu wechseln und sein Jus-Studium fertigzumachen, anstatt sich als Student im Außenministerium verheizen zu lassen.

Sehr viel Kritik ist auch an der Vorgehensweise der Koalitionsspitzen Werner Faymann und Michael Spindelegger zu hören. Es wurden unzählige Untergruppen und Untergruppen von Untergruppen gebildet – und zum Schluss werden die Verhandlungsergebnisse von der Finanzgruppe wieder gestrichen. „Das ist sinnlos“, sagt ein Verhandler. Kritik gibt es innerhalb der ÖVP auch an Spindelegger, wonach er seine Mitstreiter zu wenig einbinde und Betroffene mitunter aus der Zeitung erfahren würden, dass er sie ablösen wolle. Gemurrt wird auch, dass Spindelegger Michaela Steinacker zur Ministerin machen wolle. Gegen die Ex-ÖBB-Managerin ermittelt die Justiz wegen eines Immobiliendeals.

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