Verfassungsgerichtshof: Fällt die liberale Mehrheit?

Gerhart Holzinger: Der VfGH-Präsident geht Ende 2017
Die Ära Holzinger geht zu Ende, ÖVP und FPÖ können 2018 drei neue Richter bestellen.

Zum absolut Abträglichsten, was man über ein Höchstgericht sagen kann, gehört der Satz: "Die Entscheidung wurde aus politischen Gründen gefällt."

Politische Gründe? Das klingt nach Befangenheit und fehlender Objektivität, kurzum: Es klingt beunruhigend.

So gesehen könnte man es als schweres Foul bezeichnen, wenn Vertreter des deklariert konservativen Lagers, wie etwa die Katholische Aktion, den 14 Verfassungsrichtern bei der Entscheidung zur "Ehe für alle" (siehe hier) eine "politische Handschrift" unterstellen.Der Verfassungsgerichtshof selbst kann sich gegen derlei Anwürfe nur wehren, indem er erklärt, man entscheide ausschließlich auf Basis der Verfassung.

Doch im konkreten Fall ist die Sache komplizierter. Und das hat damit zu tun, dass selbst im Kreis der Koalitionsverhandler offen darüber geunkt wird, die Höchstrichter hätten noch schnell eine gesellschaftspolitisch richtungsweisende Entscheidung gefällt, ehe sie dazu nicht mehr im Stande sind.

Klingt nach Verschwörungstheorie? Ist es nicht.

Denn tatsächlich wird sich in Österreichs wichtigstem Höchstgericht schon mit Jahresende einiges ändern – die tendenziell gesellschaftsliberale Mehrheit im VfGH (von den 13 stimmberechtigten Richtern gelten sechs als SPÖ-nahe, ein bis zwei werden dem liberal-bürgerlichen Werte-Kanon zugeordnet) könnte fallen.

Per 31. Dezember müssen gleich drei Höchstrichter gehen – sie haben mit 70 das zulässige Höchstalter erreicht.

Das Nominierungsrecht für Präsident Gerhart Holzinger und die Richterkollegen Rudolf Müller und Eleonore Berchtold-Ostermann liegt dann bei der Regierung (Holzinger-Ersatz), bei Nationalrat (Müller) und Bundesrat (Berchtold-Ostermann). Und da die SPÖ der nächsten Bundesregierung wohl nicht mehr angehören wird, ist damit zu rechnen, dass der von der SPÖ geschätzte CVer (Cartellverband) Holzinger durch einen deklariert Wertkonservativen ersetzt wird – immerhin entscheiden ja FPÖ und ÖVP. Nicht viel anders wird es beim Mandat des Nationalrats ablaufen – und das Bundesratsticket ist ohnehin eines der Volkspartei.

Wer kommen könnte

Bleibt die Frage: Wer kommt, wenn Holzinger und Konsorten gehen?

Gute Karten im Rennen um das Präsidentenamt haben die mehrfach genannten VfGH-Richter Georg Lienbacher und Christoph Grabenwarter. Um eine interne Zerreißprobe zu verhindern, wird in Regierungskreisen die Variante ins Spiel gebracht, vorerst die in der Ära Dieter Böhmdorfer bestellte Vize-Präsidentin Brigitte Bierlein zur Präsidentin zu machen (sie geht 2019).

Und während der Tochter von Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl, Barbara Leitl-Staudinger, gute Chancen eingeräumt werden, von der VfGH-Ersatz-Richterin zum ständigen Mitglied aufzurücken, ist der mitunter ebenfalls genannte Justizminister Wolfgang Brandstetter chancenlos, was einen Posten im VfGH angeht: Der Grund ist die Verfassung selbst. Sie sagt im Artikel 147, dass Regierungsmitglieder nicht direkt in das Höchstgericht wechseln dürfen. Sie müssen warten. Und zwar ganze fünf Jahre lang.

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