Verdunkelungs-Alarm im KHG-Krimi

Verdunkelungs-Alarm im KHG-Krimi
Ein Vaduzer Anwalt, der Verbindungen zu Karl-Heinz Grasser hat, soll konfiszierte Gerichtsakten entwendet haben.

Anwalt Ernst V.* marschiert in das Landgericht Vaduz, durchforstet Akten, die bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt wurden, packt Unterlagen in einen Koffer und bringt sie erst sechs Wochen später wieder zurück – möglicherweise unvollständig.

Der „Täter“ ist Vorstand einer Liechtensteiner Privatstiftung von Karl-Heinz Grasser. Mit der möglichen Akten-Manipulation wurde im Justiz-Krimi um den Ex-Finanzminister ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Causa ist derart heikel, dass Liechtensteins Regierung am Donnerstag eine Sondersitzung abhält.

Was ist da passiert?
Der KURIER blendet zurück. Begonnen hat alles im Frühjahr 2011, mit einem Amtshilfe-Ersuchen der österreichischen Staatsanwälte an Liechtenstein.

Die Hausdurchsuchung Am 12. April 2011 rückten 50 Ermittler zu acht Hausdurchsuchungen in Liechtenstein und der Schweiz aus. Es ging um die Causen BUWOG und Meinl. Österreichs Ermittler waren auf Verbindungen zwischen beiden Fällen gestoßen. Die Unterlagen wurden den Wiener Behörden aber nicht ausgehändigt, sondern in Vaduz versiegelt.

Der Streit um die Akten Nach der Beschlagnahme begann ein Tauziehen: Die Verwalter von Grassers Stiftungen und andere Beteiligte legten Berufung ein – die österreichische Justiz sollte die Unterlagen nicht bekommen. Das ist nicht ungewöhnlich, auch hierzulande haben etwa Wirtschaftstreuhänder oder Anwälte Einspruchsmöglichkeit, um Betriebsgeheimnisse zu schützen. In Liechtenstein läuft das Verfahren allerdings über mehrere Instanzen – und kann damit viele Monate dauern.

Entscheidung und Protest Am 7. Oktober 2011 hat das Höchstgericht in Liechtenstein die Hausdurchsuchungen für rechtswidrig erklärt – die Frist war abgelaufen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte ein neues Rechtshilfe-Ersuchen. – Dieses könnte Ernst V. veranlasst haben, ins Gericht zu gehen.

Der mutmaßliche Diebstahl Am 19. Oktober war V., der auch dem Landtag angehört, im Gericht und hat Akten mitgenommen. Ein Diebstahl? Grasser-Anwalt Manfred Ainedter bestreitet das. Nachdem in Liechtenstein entschieden wurde, dass die Beschlagnahme widerrechtlich gewesen sei, habe Ernst V. dem Gericht per eMail angekündigt, er werde die Unterlagen abholen, tags darauf sei das passiert. „Es gab ja keine Rechtsgrundlage mehr für die Beschlagnahme“, so Ainedter zum KURIER.Die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht das anders: „Wir haben schon vor 19. Oktober ein zweites Rechtshilfe-Ersuchen gestellt.“ Das heißt: Wiens Staatsanwälte beanspruchten die Akten nach wie vor – und tun das bis heute.Offen ist, ob Anwalt V. die Akten manipuliert hat. „Ob die Unterlagen vollständig sind, ist Gegenstand der Vorerhebungen“, sagt der Leiter der LiechtensteinerStaatsanwaltschaft, Robert Wallner, zum KURIER – man ermittelt wegen des Verdachts der Urkundenunterdrückung und -fälschung.

Der mutmaßliche Dieb – und seine Beziehung zu Grasser Ernst V. ist Vorstand einer Stiftung von Karl-Heinz Grasser und soll diese Funktion auf Empfehlung von Grassers Steuerberater bekommen haben. Bei den verschwundenen Unterlagen handelt es sich laut KURIER-Recherchen um Dokumente eines Mandanten V’s – dieser ist Ex-Manager in einem Meinl-Fonds und war in einer Treuhandgesellschaft, über die Grasser ein Investment für seine Schwiegermutter abgewickelt haben soll.

Wie geht’s weiter? Sollte Grasser Untreue (§153 StGB) nachgewiesen werden, ist er nicht mit zehn, sondern laut Rechtsexperten sogar mit 15 Jahren Haft bedroht (§ 313 StGB/ Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung) . Anwalt Ainedter sagt: „Mein Mandant hat nichts zu befürchten.“
* Name geändert

„Liechtensteins Justiz steht am Pranger“

Der Skandal um entwendete Gerichtsakten sorgt in Liechtenstein für gehörige Aufregung. Für heute wurde eine Sondersitzung der Regierung einberufen.
Liechtensteiner Medien sehen den Ruf des Landes gefährdet: „Liechtensteins Justiz steht international am Pranger“, heißt es im Liechtensteiner Vaterland. Weiters: „Die Affäre rund um den Anwalt (. . .) hat auch eine politische Dimension.“
Der verdächtige Jurist Ernst V.* ist in der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FPB) aktiv. Die Partei ist gemeinsam mit der Vaterländischen Union in der Regierung und stellt den Vize-Regierungschef sowie die Justizministerin. FPB-Chef Alexander Batliner erklärte gestern, dass er erst über die Medien von den Vorwürfen erfahren habe. „Überrascht bin ich auch, dass ein Vorfall, der sich angeblich im Oktober ereignet hat, erst heute an die Öffentlichkeit gelangt“, sagte Batliner gestern zum Liechtensteiner Volksblatt. Grundsätzlich handle es sich aber um einen beruflichen und nicht um einen politischen Sachverhalt. V. arbeitet in der laut Eigenangaben größten und ältesten Anwaltskanzlei im Fürstentum Liechtenstein.

Ruf nach U-Haft Auch in Österreich gab es zahlreiche Reaktionen auf die neuen Entwicklungen in der Buwog-Affäre. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter fordert die Justiz auf, die Verhängung der U-Haft gegen Grasser zu prüfen, was Grasser-Anwalt Ainedter als „absurd“ bezeichnete. Kräuter meint jedoch: „Es handelt sich mittlerweile um einen geradezu klassischen Fall von Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr. Neben den verschleierten Stiftungskonstruktionen des Grasser-Netzwerkes in Liechtenstein besteht nun sogar der konkrete Verdacht einer Manipulation von Dokumenten durch einen Rechtsvertreter. Grasser kündigte via Anwalt an, er werde Kräuter auf Üble Nachrede und Kreditschädigung klagen.
Die Grüne U-Ausschuss-Vorsitzende Gabriela Moser drängt darauf, dass alle Akten so rasch wie möglich nach Österreich kommen. Das sei für den parlamentarischen U-Ausschuss zu den Korruptionsaffären wichtig.

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