"Wir können Griechen nicht allein lassen"

"Wenn ich Bundespräsident wäre, stünde die Regierung erst mal unter Schock." - Täuscht der freundliche Eindruck? Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen.
Grüner Hofburg-Kandidat Van der Bellen mahnt zu Deeskalation - und warnt vor Verzwergung.

Das Zitat könnte von Bundespräsident Heinz Fischer stammen. Es ist aber vom grünen Hofburg-Kandidaten Alexander Van der Bellen – eine Reaktion auf den Konflikt zwischen Wien und Athen. "Sowohl Griechenland als auch Österreich müssen auf den Weg des Gesprächs zurückfinden. Eine weitere Eskalation nützt niemandem, weder Österreich noch Griechenland, am allerwenigsten den Flüchtlingen", sagt er dem KURIER. "Es muss allen klar sein, dass man einen Grenzstaat wie Griechenland nicht allein lassen kann. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass Kinder erfrieren."Mit dem Thema Flüchtlinge wird sich Van der Bellen auch kommende Woche beschäftigen – bei seinem "Europa-Schwerpunkt". Am 2. März gastiert er im Wiener EU-Haus ("Wie halten Sie es mit Europa?"), am 4. März referiert er bei einer internationalen Europakonferenz der Grünen im deutschen Bundestag. Am 10. März tritt er im Brüsseler Comic-Museum auf ("Europa, quo vadis?").

Blamage für Politiker

Sein Befund wird ein schlechter sein: "Die EU driftet in einer Art auseinander, die befürchten lässt, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen." Dass Stück für Stück Schluss sei mit der freien Fahrt im Schengen-Raum, dass an Grenzen wieder kontrolliert werde, "bringt uns Wartezeiten, die Milliarden kosten werden". Die "Personenfreizügigkeit" auf dem Arbeitsmarkt zu beschränken, sei ein ebensolches anti-europäisches Signal: "Wir haben überall Nationalismus. Ich will keine Verzwergung Europas – zurück zu den alten Nationalstaaten, die gegeneinander arbeiten."

Für Van der Bellen entwickelt sich "die Flüchtlingsfrage zu einer Blamage für Europas Politiker: Dass in einer Union mit 500 Millionen Bürgern eine Million Flüchtlinge als zu viel gesehen wird, ist ein politisches Armutszeugnis. Im Libanon mit 4,5 Millionen Menschen sind eine Million Flüchtlinge." Österreich sollte bei der "Willkommenskultur" bleiben, für die sich die Grünen nach wie vor starkmachen. Van der Bellen will wohl weder die klassische Grün-Klientel verprellen, noch Wähler außerhalb dieser, die keine FPÖler sind.

Nicht nur Gute

Und so versucht er einen Spagat: Eine Obergrenze sei rechtlich nicht möglich, "den Problemen sollte man aber ins Auge sehen". Um ein geordnetes Asylverfahren durchführen zu können, seien Flüchtlinge an der Grenze zu registrieren: "Es müssen ja nicht alles gute Menschen sein. Ich habe Verständnis dafür, dass man wissen will, wer einreist. Es wandern auch Leute zu, die im Nahen Osten in einem anti-israelischen Kontext aufgewachsen sind. Da besteht die Gefahr, dass das bei uns in Antisemitismus mündet. Ebenso kommen teilweise Männer, deren Ansicht zur Gleichberechtigung der Frau nicht jene ist, die sie sein sollte."

"Eine Lösung ohne Deutschland und Griechenland wird und kann es nicht geben. Insofern ist der Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage kontraproduktiv."

Am Freitag besuchte Hofburg-Kandidatin Irmgard Griss den KURIER. Und im Zuge dessen skizzierte die frühere OGH-Präsidentin, welche diplomatischen Schritte sie in der aktuellen Frontstellung mit Brüssel und Athen unternehmen würde. "Wir brauchen Gelassenheit." Berlin und Athen von Gesprächen auszuschließen hält Griss für einen veritablen Fehler. "Die Devise lautet: Reden, reden, reden – und zwar mit allen Beteiligten."

Wie halten’s die anderen Präsidentschaftskandidaten mit der Flüchtlingskrise? Sind sie zufrieden mit dem aktuellen Koalitionskurs?

Ähnlich wie Griss bewertet FPÖ-Mann Norbert Hofer die Lage. "Die Situation ist nicht ungefährlich und das hat vor allem mit der erratischen Politik im Kanzleramt zu tun", sagt Hofer zum KURIER. "Zuerst war Tsipras der beste Freund des Kanzlers, jetzt passiert das Gegenteil. Zuerst wird von einem Tages-Limit von 80 Asylanträgen an der Südgrenze geredet, dann gilt das plötzlich nur für Spielfeld. Wer so agiert, verunsichert." Laut Hofer solle sich die Regierung eine Atempause gönnen und "ohne Emotionen" eine Lösung anpeilen, die Deutschland miteinbezieht.

Wider die Kritik

Gänzlich anders sieht das ÖVP-Kandidat Andreas Khol: "Als Verfassungsrechtler kenne ich die Gesetze genau und verwahre mich gegen die aktuelle internationale Kritik an unserem Land." Das Grenzmanagement sichere die staatliche Souveränität und die Regierung gehe rechtskonform vor.

Auch für den von der SPÖ nominierten Hofburg-Anwärter Rudolf Hundstorfer ist klar, "dass sich Österreich nichts vorwerfen lassen muss". Jedoch müsse die Frage nach Aufnahmekapazitäten mitbedacht werden. "Es muss von Europa Solidarität gefordert, aber auch innerstaatlich Solidarität gezeigt werden."

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